Freitag, 30. Januar 2009

Lippenbekenntnisse


Wie jedes Jahr, war ich auch dieses Jahr Fotograf auf der offiziellen UN Holocaust Gedenkveranstaltung und anschliessend bei der Podiumsdiskussion, die von B'nai B'rith organisiert wurde (auf dem Foto Daniel Mariaschin, Direktor von B'nai B'rith mit den Goldbergers, er aus Wien, sie aus Berlin, und die beide dank des Kindertransports gerettet wurden).
Wie jedes Jahr, war es eine beeindruckende Veranstaltung, und wie jedes Jahr erzaehlte eine Ueberlebende ihre Geschichte. Ich will die Details ersparen, jedoch nur erwaehnen, dass sie als kleines Maedchen mit ansehen musste, wie zunaechst ihr Vater, dann ihr Bruder und zuletzt ihre Mutter an Typhus starben, letztere wurde von Hunden gegessen, da niemand die Leiche weg brachte.
Bewegende Geschichten, jedoch brachte Rabbi Lau, der aus Israel Gast war, es auf den Punkt. Was hat sich wirklich geaendert? Antisemitismus ist sehr lebendig, Genozide folgten auf die Schoah (auch wenn die systematische Vernichtungskampagne einzigartig in der Geschichte ist), und taeglich sterben etwa 18.000 Kinder weltweit an Hunger, was nicht einmal eine Schlagzeile wert ist. Und was macht die UN?
Daniel Schwammenthal hat sich im Wall Street Journal sehr kritisch gegenueber den Lippenbekenntnissen solcher Veranstaltungen geaeussert (der Beitrag kann hier nachgelesen werden).

Samstag, 24. Januar 2009

Florida


Januar ist "Jewish Heritage Month" in Florida. 16% der amerikanischen Juden lebt heute in Florida, nach New York und Kalifornien hat der Sonnenstaat die dritthoechste juedische Gemeinde (man geht von mindestens 850.000 Juden aus) und Suedflorida mit 15% Bevoelkerungsanteil die zweitgroesste Konzentration von Juden (nur in Israel leben prozentual gesehen mehr Juden).
Wer jedoch denkt, dass "Judentum in Florida erst ein Phaenomen der Nachkriegszeit ist, irrt sich," erklaert Marcia Jo Zerwitz, die Gruenderin des Juedischen Museums in Florida. Marcia stammt urspruenglich aus West Virginia und kam in den 60er Jahren mit ihrer Familie nach Florida. In Orlando war sie lange Zeit in der juedischen Gemeinde aktiv und wurde 1971 als eine der ersten Frauen Vorsitzende ihres Landesverbands. In den 80er Jahren fing sie an, juedisches Erbe in Florida zu dokumentieren. "Ich kam mir vor wie ein Detektiv, der Geheimnisse entschluesselt."
Erst 1763, nachdem die Spanier die Kontrolle ueber den Sueden verloren, wurde es Juden gestattet, sich im heutigen Florida anzusiedeln. David Levy Yulee wird allgemein als Architekt des Staates Florida angesehen. Als Florida 1845 der 27. Staat der Vereinigten Staaten wurde, wurde er Floridas erster Senator in Washington. Nur ein Beispiel fuer den Beitrag juedischer Buerger in Florida.
Die Wanderausstellung Mosaic dokumentierte zwischen 1990 und 1994 die Geschichte Floridas Juden. Der Erfolg der Ausstellung ueberzeugte Marcia, eine Heimat fuer die Ausstellung zu finden. In South Beach, dem Suedzipfel von Miami Beach, lange Zeit eine sehr juedische Nachbarschaft, fanden sich zwei historische Synagogen im desolaten Zustand und sollten abgerissen werden. Kubanische Gangster machten die Gegend unsicher und Miami Vice brachte ein verschoentes Bild des Chaos in die Wohnzimmer von Millionen von Zuschauern. Ein Museum dort aufzumachen war ein Risiko. Doch es lohnte sich.
Heute kommen pro Jahr 400.000 Besucher aus ueber 30 Laendern in das Museum. Sehenswert, nicht nur im Januar.

Donnerstag, 22. Januar 2009

Unter Bauern


Ich liebe das Internet. Nein, wirklich. Man weiss nie, welche Ueberraschung auf einen wartet. Auf Facebook,beispielsweise, bekam ich einen "Friend Request" von Lia (siehe Foto), die ich bestimmt seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen habe. Lia ist aus meiner Gemeinde in Muenster, und wie ich nun weiss, ist sie mittlerweile Schauspielerin und lebt in Muenchen. Aber was noch interessanter ist, ist, dass sie gerade einen Film gedreht hat, der voraussichtlich im April ins Kino kommt und der auf dem Buch "Retter in der Nacht" von Marga Spiegel basiert. Die 1912 geborene Marga ist ebenfalls aus meiner Gemeinde in Muenster und sie ueberlebte die Shoah im Versteck, "unter Bauern".
Diethard Aschoff schreibt in seiner Einleitung zu dem Buch: »Anders als in den übrigen autobiographischen Aufzeichnungen wird hier das Überleben einer dreiköpfigen Familie in der Heimat beschrieben, das außerordentlich seltene Untertauchen in Westfalen selbst. Die ›Retter in der Nacht‹ sind verschiedene Bauernfamilien im südlichen Münsterland, denen später in Yad Vashem, der Jerusalemer Gedenkstätte des Staates Israel an Holocaust, die große Ehre zuteil wurde, daß ihre Namen als Judenretter an Bäumchen angebracht wurden. In dem warmherzig geschriebenen Überlebensbericht überwiegt die Dankbarkeit gegenüber Gott und denen, die sie in Todesgefahr bewahrten. Das ›andere‹ Deutschland vertraten nicht hochgestellte Persönlichkeiten oder herausragende Intellektuelle, sondern einfache fromme Bauern des Münsterlandes, die in dämonisch verhetzter Zeit trotz selbsteigener, oft abgründiger Angst ihrem Gewissen und Glauben folgten. Marga Spiegel versteht es, in differenzierter Schilderung diese namenlose Angst vor der stets gegenwärtigen, jedoch unsichtbaren Gefahr, von der sie schreibt, auch bei ihren Rettern unmittelbar nachempfinden zu lassen. (...) Obwohl das Ehepaar Spiegel im Holocaust 37 Verwandte verlor und aus der Großfamilie niemand außer ihnen überlebte, kann ‹Retter in der Nacht‹ ein versöhnliches, ja fast ökumenisches Buch genannt werden, nicht aus der nach dem Kriege manchmal etwas krampfhaft beschworenen ›Brüderlichkeit‹ heraus, sondern in dankbarer Erinnerung an die überzeugend gelebte christliche Grundhaltung ihrer Retter, die half, auch den Glauben der Jüdin zu festigen. Vom Inhalt ‑ Überleben im Untergrund ist in dieser Form in Westfalen sonst nicht bezeugt – als auch vom Geist und der Gesinnung her ist darum das schmale Bändchen nicht nur ein bemerkenswertes, sondern geradezu einzigartiges Zeitdokument für Westfalen.«
Marga wird in der Kinoverfilmung von Veronica Ferres (siehe Foto mit Marga Spiegel) gespielt (hier ein Interview mit ihr). Bin schon gespannt auf den Film...

Dienstag, 13. Januar 2009

Sderot in Genf


Liraz Madmony, eine 23jaehrige Jurastudentin aus Sderot, sprach gestern in Genf auf einer Sondersitzung des UN Human Rights Councils. Liraz Auftritt wurde von der European Union of Jewish Students organisiert, einer Organisation, fuer die ich mehrere Jahre gearbeitet habe. Liraz sprach ueber den Alltag unter fast taeglichen Beschuss von Raketen, die von der Terrororganisation Hamas nach Israel abgeschossen werden und bat die UN, dafuer zu sorgen, dass die Gewalt beendet wird: "I dream of the hometown that I remember. When the park near my house was filled with happy families and children playing. When people enjoyed life. I still dream of peace. It will come when the rulers of Gaza choose humanity over hate, when they stop firing on our children while hiding behind their own.... Mr. President, who will protect our most basic human rights?" Das Video kann hier angesehen werden.

Montag, 5. Januar 2009

New Yorks Buergermeister ueber den aktuellen Konflikt in Gaza


New Yorks Buergermeister Michael Bloomberg ist momentan in Israel und wurde von CNN ueber die aktuellen Konflikt in Gaza befragt. Souveraener als andere Kommentatoren aeusserte sich Bloomberg und vertrat wohl die Meinung der meisten New Yorker. Das Interview kann hier gesehen werden.

Synagogen in Suedtransilvanien

Ich traf letzte Woche Julie Dawson, eine in Rumaenien lebende Amerikanerin, die momentan in New York ist, um morgen eine beeindruckende Fotografieausstellung ueber Synagogen in Suedtransilvanien zu eroeffnen.

Obwohl Julie erst seit knapp zwei Jahren in Rumaenien lebt, wo sie fuer den Peace Corps arbeitet, ist sie bereits eine zentrale Figur geworden, was juedische Kultur in diesem Teil von Rumaenien angeht. "Es herrscht hier sehr viel Unwissen," erklaert die 30jaehrige, "und gerade daher ist es wichtig, sich zu oeffnen." Viele der Veranstaltungen, die sie organisiert, von Klezmerkonzerten bis zu Seminaren, finden in Cafes und anderen oeffentlichen Orten statt, jedoch nicht hinter verschlossenen Tueren. Ja, Antisemitismus gaebe es, aber der sei nicht das Problem, sondern Ignoranz. Als sie vor einem Jahr ihren Schuelern das Chanukahfest erklaerte, waren viele zunaechst negativ eingestellt und wollten nichts von diesen juedischen Dingen wissen, doch dieses Jahr waren die selben Schueler begeistert von der Musik und der Tradition des Lichterfestes. Auf einer Konzerttour von Klezmermusikern aus Deutschland, die Julie organisierte, stellten viele nichtjuedische Besucher fest, dass die Musik sehr an ihre "eigene" Musik erinnert, und juedische Besucher dankten ihr, dass sie wieder Freude in die oftmals nahezu vergessenen Synagogen von Transilvanien, die nun als Konzerthalle fungierten, brachte.

Julies Einsatz und Enthusiasmus ist beeindruckend. All ihre juedischen Aktivitaeten erledigt sie in ihrer "Freizeit". Und es wirkt gleich noch beeindruckender, wenn man weiss, dass sie nicht juedisch ist. Ironischerweise hat Julie ihre Liebe fuer die Klezmermusik und jiddische Kultur in Deutschland gefunden. Bevor sie nach Rumaenien zog, lebte die gebuertige Texanerin sechs Jahre in Berlin und machte dort die Bekanntschaft mit verschiedenen Klezmermusikern, von denen die meisten nicht juedisch sind. [Erinnert ein bisschen an Ruth Ellen Grubers Buch "Virtually Jewish".]

Die Ausstellung mit den wunderbaren Bildern (ein Beispiel sieht man hier) wird morgen im Congress for Jewish Culture, 25 East 21st Street in Manhattan mit einem Klezmerkonzert eroeffnet. Sehenswert.

Freitag, 2. Januar 2009

Die letzte Synagoge von Detroit


Vor ein paar Wochen fotografierte ich fuer den Forward ehemalige Synagogen in der Lower East Side und dem East Village. Letzte Woche erschien dann im Forward die Story mit meinen Bildern, jedoch anders als zunaechst geplant. Ging es zunaechst darum, dass die Lower East Side immer mehr von ihrem Charakter verliert, so ging es jetzt darum, dass aufgrund der Wirtschaftskrise momentan Baustopp herrscht und das vielleicht den historischen Charakter der Gegend rettet.
Eine aehnliche, und doch ganz andere Geschichte fand sich vor kurzem in den Detroit News. Detroit hatte, was viele nicht wissen, in den 50er Jahren eine der groessten juedischen Gemeinden in den USA.
Die Stadt selber war in den 90er Jahren eine Geisterstadt. Alles, was in den USA falsch laufen kann, ist hier falsch gelaufen. Das Stadtzentrum war eine gefaehrliche Gegend, die man lieber vermeidet, und in dem wirklich nur lebt, wer sich nichts anderes leisten kann, und die eigentlichen Wohngegenden sind die 'burbs, die Suburbs, Vororte mit uniformen Haeusern, verbunden durch Autobahnen, an denen sich sogenannte Strip Malls finden, uniforme Einkaufszentren, die man mit dem Auto erreichen kann. Oeffentliche Verkehrsmittel existieren so gut wie gar nicht. Detroit, das ist Motown, das Motor City, hier findet sich die Autoindustrie, hier spaziert man nicht, hier wird gefahren.
Wie auch in der Bronx, finden sich in Detroit hunderte von ehemaligen Synagogen, die vor ein paar Jahren auf einer Website dokumentiert wurden. In den Detroit News wurde nun davon berichtet, dass die letzte aktive Synagoge (siehe Foto), die sich heute in Detroit selbst befindet, geschlossen werden soll, doch eine Gruppe junger Menschen, Teil einer Renaissance von Detroit, will das Gebaeude retten. Das National Public Radio (NPR) hat nun auch davon berichtet (kann man sich hier anhoeren).
Bei der Geschichte geht es mehr als um juedisches Erbe, es ist eine Geschichte ueber Amerikas Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, es geht um Revitalisierung von Amerikas Innenstaedten, und es geht um Hoffnung auf eine bessere Zukunft.