Mittwoch, 31. Dezember 2008

Wieder Krieg



Das Foto rechts wurde mir von einem Bekannten geschickt, der kuerzlich in Sderot war.

Nach rund 170 Raketen und Granaten, die allein zwischen dem 19. und 26. Dezember 2008 aus dem Gaza-Streifen abgefeuert wurden, hatte die israelische Regierung nicht nur das Recht sondern die Pflicht ihre Bürger vor weiteren Angriffen wirksam zu schützen.

Ein Protest von internationaler Seite kam damals nicht, so dass Stefan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats, zurecht fragt, ob es Menschenrechte erster und zweiter Klasse gibt. Die Ideologie der Terrororganisation Hamas propagiert das Sterben für Allah als Ideal, das aktiv verfolgt werden muss, so dass Zivilisten als menschliche Schutzschilde eingesetzt werden, was den Kampf gegen Terroristen nicht einfacher macht.

Ironischerweise scheint als einziger die Hamas von der jetzigen Gewalteskalation zu profitieren, da man sie nun als Gesprächspartner im Westen wieder ernst nehmen wird, schliesslich ist man ja nicht mit der "israelischen Agression" einverstanden.

Die drei bekanntesten israelischen Autoren Amos Oz, A.B. Yehoshua und David Grossman haben sich alle kritisch mit der Gewalteskalation auseinander gesetzt.

Und so traurig die Gewalt im Nahen Osten wieder ist, so bleibt doch die Frage, was man haette anders machen koennen, angesichts der permanenten Raketenbeschuesse aus Gaza.

Sonntag, 28. Dezember 2008

Der achte Tag


Zum Abschluss von Chanukah werden wir heute die weltgroesste Chanukah Menorah sehen, die traditionell von Chabad (von wem auch sonst) auf der Fifth Avenue vor dem ehemaligen Plaza Hotel aufgestellt wird.
Auch dieses Jahr habe ich wieder zahlreiche Chanukahlieder in meiner Inbox gefunden, und drei davon will ich hier mal erwaehnen. Zum einen gibt es nun eine deutsche Version von Adam Sandlers Chanukah Song, ganz witzig gemacht, obwohl ich eingestehen muss, dass ich nicht alle Leute in dem Video kenne (bin wohl zu lange schon aus Deutschland weg). Dann ist da noch ein interessantes Album eines eigentlich unbekannten Saengers, das Songs in the Key of Hanukkah heisst, doch da der Bruder von Erran Baron Cohen der Erfinder von Kultfiguren wie Ali G und Borat ist, hat dieses Album wohl mehr Aufmerksamkeit bekommen, als unter normalen Umstaenden. Trotzdem hoerenswert.
Zum anderen ist da Pass The Candle, ein Video, das von Freunden von Freunden von mir hier in New York produziert wurde. Das Ganze ohne grosses Budget. Nur mit der Hilfe des Internets lud man Menschen weltweit an der Aktion teilzunehmen. Wirklich kreativ. Seht das Resultat hier. Ich denke, wir werden von denen noch einiges hoeren.
Der achte Tag ist nun da. Chanukah geht zu Ende, aber keine Sorge, dieses Blog geht weiter.

Freitag, 26. Dezember 2008

Blondis Weltreise



Asaf Zur ist ein Weltreisender. Nach seinem Tod war er schon auf den Osterinseln, dem Gipfel des Kilimandscharo und in Peking, oder zumindest sein Foto.

Nach seinem Tod?!

Ja, im März 2003 kam der damals Siebzehnjährige Asaf, der von seinen Freunden "Blondi" genannt wurde, bei einem Selbstmordattentat ums Leben. Nach der Schule stieg er gemeinsam mit anderen jungen Leuten in einen Bus. Unter den Passagieren war auch ein Palästinenser, der unter seinem T-Shirt einen 17 Kilogramm schweren Sprengstoffgürtel trug. Er sprengte sich in die Luft und riss 17 Menschen mit in den Tod. Asafs Ueberreste liegen nun auf einem Friedhof in Haifa, der ausschließlich für Terror-Opfer ist.


Sein Vater Jossi hat im Juni 2008, fuenf Jahre nach dem Terroranschlag, eine Internetaktion gestartet, um seinen reiselustigen Sohn posthum durch die ganze Welt zu schicken, und auf die Tragik des Terrors aufmerksam zu machen. "Weil Asaf nicht mehr um die Welt reisen kann, wollte ich die Welt zu ihm bringen", sagt Jossi.

Auf der Webseite laed Jossi Menschen aus aller Welt ein, ein Foto seines Sohnes, das man auf der Website runterladen kann, mit auf ihre Reisen zunehmen. An ihrem Urlaubsziel sollen sie dann ein Bild von sich und dem Foto machen lassen und es an ihn schicken.

Die Reaktionen auf die Aktion waren überwältigend. Im vergangenen halben Jahr hat der Vater des Verstorbenen 860 Briefe aus 86 Ländern bekommen. "Wenn ich könnte, würde ich dieses Foto nehmen und jedem einzelnen Menschen sagen: Das ist Asaf, mein Sohn. Er war ein junger Mann und er ist für nichts gestorben", sagt er in einem Video in der Onlineausgabe des Magazins "Stern".

Die Briefe kommen aus der ganzen Welt. Bisher habe er nur positive Zuschriften bekommen. Sogar einige Briefe aus islamischen Staaten seien dabei gewesen. "Ich hoffe sehr, dass ich noch mehr Reaktionen aus der arabischen Welt bekomme. Das wäre doch eine tolle Sache, wenn sein Foto nach seinem Tod da zu sehen wäre, wo Assaf lebendig als Jude niemals hin konnte."

Sonntag, 21. Dezember 2008

Happy Hanukah


Es ist wieder soweit. Chanukah, das Lichterfest, in dem wir uns an das Wunder im Tempel erinnern, und gleichzeitig jegliche religioese Unterdrueckung verurteilen, beginnt heute abend.
Es gibt wieder viele nette Dinge im Web, mit denen wir Chanukah begehen koennen. Da ist zum einen der YouTube Song "All I want this Christmas is Jews" (nicht zu verwechseln mit dem Song hier), und dann natuerlich der Klassiker von Adam Sandler, und dann auch ein Chanukah Rap.
Lisa schreibt in ihrer JTA Kolumne ueber die Geschenkefrage. Durch die Kommerzialisierung von Weihnachten wird in Amerika auch Chanukah immer mehr zum Geschenkefest (einige geben ihren Kindern sogar acht Geschenke, jeden Abend eines). Geschenke muessen nicht grundsaetzlich schlecht sein (wer behauptet das schon), aber das wichtigste, ist, dass man mit Freunden und Familie zusammen ist.
In diesem Sinne also: Frohes Chanukah.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Kein Geburtstagskuchen fuer Adolf Hitler


Die Associated Press berichtet ueber einen seltsamen Fall von Diskriminierung. Heath und Deborah Campbell wollten einen Geburtstagskuchen fuer ihren Sohn bestellen, doch die Angestellten weigerten sich, den Namen des Dreijaehrigen auf den Kuchen zu schreiben.
Klingt seltsam, erklaert sich aber, wenn man den Namen des Kindes weiss: Adolf Hitler Campbell. Die Campbells (siehe Foto) haben noch zwei weitere Kinder, JoyceLynn Aryan Nation Campbell, die in ein paar Monaten zwei wird, und Honszlynn Hinler Jeannie Campbell (der Name eine Hommage an Heinrich Himmler), die im April ihren ersten Geburtstag feiert.
Die Campbells leben in Hunterdon County, New Jersey, in einem Haus, das angeblich mit Naziflaggen und Hakenkreuzen dekoriert ist. Hoffen wir, dass klein Adolf trotz dieser Eltern eine Chance hat, normal zu sein.

Dienstag, 16. Dezember 2008

New Yorks meistgehasster Mann

Ich war gestern in Elie Wiesels Buero, wo ich einen Freund assistierte, der eine kurze Videomessage von Herrn Wiesel fuer ein juedisches Altersheim in Buenos Aires aufnahm. Auch wenn der Nobelpreistraeger freundlich war, so war die Stimmung in der Elie Wiesel Foundation alles andere als gut. Angespannt ist vielleicht das beste Wort. Der Grund, in den Worten der gestrigen Titelseite der New York Post: "New Yorks Meistgehasster Mann".

Der nett aussehende Siebzigjaehrige auf dem Foto ist Bernie Madoff, und er hat die juedische Welt in die groesste Krise der Nachkriegsgeschichte gebracht hat.

Nach Angaben der Jerusalem Post hat Madoff etwa 600 Millionen Dollar von juedischen Hilfsorganisationen "verloren" und insgesamt mehr als 50 Milliarden Dollar von hauptsaechlich juedischen Investoren. Man geht davon aus, dass dies der groesste Betrug in der amerikanischen Finanzgeschichte ist. Dreimal groesser als damals Enron.

Hier nur ein paar Beispiele: Yeshiva University hat ueber hundert Millionen Dollar in dem Betrug verloren, Ramaz und SAR Academy, zwei weitere juedische Bildungsanstalten, haben ebenfalls Millionenverluste, neben Elie Wiesels Stiftung hat auch Steven Spielsbergs Foundation Millionen eine ungewisse Zukunft, der American Jewish Congress wird vielleicht komplett untergehen, ein juedisches Krankenhaus hat die gesamten Rentengelder ihrer Angestellten verloren, und private Stiftungen wie etwa die Carl and Ruth Shapiro Family Foundation sogar 145 Millionen Dollar. Und dies sind nur die Institutionen. Die Zahl der Privatpersonen, die wichtige amerikanisch-juedischen Philanthropen sind, kann momentan keiner Abschaetzen.

Madoff galt in der amerikanischen Finanzwelt als Genie. Er versprach einen 10% Zinssatz fuer Leute, die mit ihm investierten, doch es war gar nicht so einfach, zu Madoff zu gelangen. Durch die vielen Absagen, die er erteilte, machte der ehemalige NASDAQ Boss sich nur interessanter und jeder wollte zum auserlesenen Kreis gehoeren. Dass es sich um eine Finanzpyramide handelte, die wie ein Kartenhaus zusammen stuerzen wuerde, hatte anscheinend niemand erwartet, zumal ja gute Namen zu Madoffs Portfolio gehoerten. Wenn Elie Wiesel und Steven Spielberg bei Madoff investieren, dann werden die schon wissen, was sie tun.

Madoff verkehrte hauptsaechlich in exklusiven juedischen Kreisen, und man vertraute ihm, da er ja "einer von uns" war.

Da amerikanisch-juedische Organisationen vor allem von Philanthropie, also Privatspenden, leben, ist der Effekt dieses finanziellen Tsunami noch nicht abzusehen. Haaretz beschreibt den Skandal als etwas, das sich die schlimmsten Antisemiten nicht einmal ertraeumen konnten. (Und viele Kommentare in Onlineforen unterstreichen, dass 'Schadenfreude' Teil des amerikanischen Wortschatzes ist.)

Nicht nur Amerika wird davon betroffen sein. Einige israelische Firmen haben ebenfalls bei Madoff investiert, und weltweit sind viele Wohlfahrtsverbaende von amerikanischen Spenden abhaengig. Zwei Beispiele: Die Chais Family Foundation, die ueber 250 Millionen Dollar verloren hat und nun geschlossen wurde, half Tausenden von juedischen Rentnern in der ehemaligen Sowjetunion mit Essenspaketen und medizinischer Versorgung. Die Jewish Federation of Los Angeles, der Hauptsponsor fuer jegliche juedische Programme im Baltikum, angefangen von Programmen fuer hilfsbeduerftige Familien bis hin zu Ferienlagern, hat Millionen im Skandal verloren und es ist nicht sicher, ob sie weiterhin Gelder fuer Programme in Europa spenden wird.

Nach der Immobilien- und Wall Street Krise und dem rapiden Verlust des US Dollars (im Sommer war der Umtauschkurs sogar 1.62 zum Euro) hatte man gedacht, es haette die juedische Welt Amerikas nicht schlimmer treffen koennen. Man hat sich geirrt. Der nachhaltige Effekt, nicht nur fuer juedische Hilfsprojekte weltweit, ist noch nicht abzusehen, ebensowenig der nachhaltige psychologische Effekt durch den Vertrauensmissbrauch.

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Quo vadis, aufbau?





Der Aufbau feiert seinen 75. Geburtstag. Auf der Website zur neuen Ausgabe heisst es: "Der aufbau ist vor 75 Jahren aus den Bedürfnissen von Menschen im Würgegriff einer historischen Katastrophe entstanden. Indem sie sich eine deutschsprachige Zeitung schufen, hielten die deutsch-jüdischen Flüchtlinge in New York an ihrer kulturellen Heimat in Zeiten der Heimatlosigkeit fest. Gleichzeitig verstand sich der aufbau ganz explizit als Instrument, das seinen Lesern bei der Beheimatung in den USA helfen sollte."


Die Jubilaeumsausgabe hat interessante Beitraege aus den letzten 75 Jahren, darunter einen Beitrag zur Staatsgruendung Israels, ein Nachruf fuer den Fotografen Robert Capa, ein Interview mit Fritz Stern, und Essays von Franz Werfel und Thomas Mann. Ein Blick zurueck in einer glorreiche Vergangenheit.


Als ich 2002 in New York war, traf ich mich auch mit Leuten vom Aufbau. Ich wurde dort interviewt, aber soweit ich weiss, erschien die Story nie. Es war ein uriges Buero, irgendwie sehr New York, mit ein paar jungen deutschen Journalisten, von denen keiner juedisch war, und ein paar jungen amerikanischen Journalisten, von denen keiner wirklich deutsch beherrschte. Oder zumindest war das damals mein Eindruck.


Ich bereue noch heute, dass ich meine Kamera nicht dabei hatte, um Fotos vom Aufbau zu machen.


Zum 70. Geburtstag fand mein Name dann seinen Weg in den Aufbau. Ein amerikanischer Journalist, der damals mit einer Freundin von Lisa befreundet war, und mit dem wir Schlittschuhlaufen gingen, erzaehlte mir von seinem Aufenthalt in Berlin und ein paar Kommentare, die ich ihm am Eislaufring gab, fanden ihren Weg in seine Story, die in der Jubilaeumsausgabe des Aufbau erschien. Vielleicht nicht der professionellste Journalismus, aber das ist eine andere Geschichte. (Ich fand nur zufaellig heraus, das ich als "junger Jude aus Muenster" zitiert wurde.)


Die Jubilaeumsausgabe sollte die letzte Aufbau Ausgabe als Zeitung sein. Die Leserschaft war einfach nicht mehr da. Der Aufbau wurde verkauft und wurde Teil der Juedischen Medien AG in Basel. Aus der Wochenzeitung wurde ein Monatsmagazin.


Letzte Woche wurde bekannt, dass die Basler Mediengruppe, die bisher zusammen mit der Serenada Verlag AG zu gleichen Teilen Miteigentümerin der JM Jüdische Medien AG war, ihr Engagement beendet. Der Serenada Verlag von Susanne Braginsky, welcher in den vergangenen Jahren die Herausgabe der jüdischen Zeitschriften tachles, revue juive und aufbau inhaltlich und finanziell wesentlich gefördert hat, will sich nun auf die Herausgabe des Aufbau konzentrieren, der künftig im Serenada Verlag erscheinen soll.


Quo vadis, Aufbau? Zum 80. Jubilaeum werden wir das wohl wissen.

Montag, 1. Dezember 2008

Eine Tragoedie fuer die gesamte Menschheit

Crown Heights in Brooklyn und Jackson Heights in Queens haben normalerweise nicht viel gemeinsam. Das eine ist eine vorwiegend chassidische Nachbarschaft am Eastern Parkway, das andere eine vorwiegend indische und pakistanische Nachbarschaft, die mit der U-Bahn Nummer 7 erreichbar ist. Doch dieses Wochenende verband beide Nachbarschaften die Tragoedie in Mumbai.

Kurz vor Schabbatbeginn kam die Mitteilung, dass Rabbi Gavriel Holtzberg und seine Frau Rivka, sowie Rabbi Leibish Teitelbaum, der die Kaschrut im Chabadhaus beaufsichtigte, waehrend der Terrorattentate ermordet wurden. Der 29jaehrige war vor fuenf Jahren, kurz nach seiner Hochzeit, mit seiner ein Jahr juengeren Frau nach Indien aufgebrochen, um dort ein Chabadhaus zu gruenden. Ihr Sohn Moshe, der am Samstag zwei Jahre alt wurde, wurde von seinen Grosseltern aus Mumbai abgeholt.

"Das ist irgendwie wie damals in Muenchen," meint Victor Wishna, mit dem ich mich am Freitag treffe, als gerade die Nachricht auf CNN erscheint. "Die Israelis hatten ihre Hilfe angeboten, aber die indischen Sicherheitskraefte haben aus falscher Eitelkeit jegliche Hilfe abgelehnt, und nun sind die Geiseln tot."

Ein paar Stunden spaeter hielt Chabad im Juedischen Kindermuseum von Crown Heights eine Pressekonferenz ab. Umgeben von vielen Pressevertretern und Kameraleuten versuchte man kurz vor Schabbatbeginn nuechtern ein paar Statements abzugeben, aber die Emotionen kamen sichtlich durch, so etwa bei Rabbi Moshe Kotlarsky, der die Traenen kaum zurueck halten konnte. "Er war ein sehr, sehr besonderer Mensch. Wir werden ihn sehr vermissen."

"Es ist eine schreckliche Tragoedie," meinte auch Menachem Frietfertig, ein Einwohner von Crown Heights, als er von Journalisten des lokalen Fernsehsenders NY1 auf der Strasse angesprochen wurde. "Es ist eine Tragoedie fuer die ganze Menschheit, nicht nur fuer die Familie, nicht nur fuer die juedische Gemeinde," erklaerte er.

Am Abend gingen wir in Jackson Heights Essen. Die normalerweise sehr beschaeftigte Nachbarschaft war ruhiger als sonst. In den Cafes und Restaurants liefen die Fernseher. CNN brachte die neuesten Meldungen aus Mumbai. Die Zahl der Todesopfer war mittlerweile auf 174 gestiegen.

Ich musste wieder an die Worte von Menachem Frietfertig denken. Ja, es ist eine Tragoedie fuer die ganze Menschheit.