Donnerstag, 27. November 2008
Die Armee des Messias
Sofort war mir klar, dass es sich um ein Chabadhaus handeln muesse. Meine Vermutung wurde ein paar Minuten spaeter bestaetigt. Online fand ich dann spaeter mehr Informationen, so etwa dass das Kindermaedchen mit dem zweijaehrigen Sohn aus dem Haus rannte und so das Kind in Sicherheit brachte (berichtet in Haaretz) und spaeter, dass die Aktion im Chabadhaus zwar beendet sei, aber der Leiter des Zentrums, seine Frau und weitere Geiseln bisher noch vermisst werden (berichtet in der Jerusalem Post). In einem Videoclip auf der Webseite der Jerusalem Post erwaehnt ein Bekannter von Rabbi Holtzberg, dass alle Lubawitscher eine grosse Familie seien, und man daher sehr besorgt um den Chabad-Scheliach in Mumbai sei.
Das Phaenomen von Chabad-Schluchim (so der Plural von Scheliach), so der hebraeische Name fuer die Emissare oder - da es kein besseres Wort im Deutschen gibt, auch wenn es nicht ganz treffend ist - "Missionare", ist einzigartig in der Welt. Es geht diesen Schluchim nicht darum, Menschen zum Judentum zu missionieren, sondern Juden die Moeglichkeit zu geben, juedisch zu leben. Im Mumbai kommen zum Chabadhaus viele Israelis, von Rucksacktouristen bis hin zu Geschaeftsleuten, und auch an anderen Orten der Welt kann man Gesandte der Chabadbewegung finden, die einem eine juedische Atmosphaere geben.
Weltweit gibt es mehr als Tausend solcher Schluchim, die sich einmal im Jahr in Crown Heights, Brooklyn, dem Zentrum der Chabadbewegung, treffen (siehe Foto vom letztjaehrigen Treffen). Ich habe einmal gelesen, dass sie die Armee des Rebbe seien (gemeint, Menachem Mendel Schneerson, den viele Anhaenger als den Messias sahen und sehen). Und auch wenn diese Armee keine Kriege fuehrt, so ist sind ist ein Scheliach doch ein beeindruckender Soldat, da er alles aufgibt, in ein fremdes Land zieht, und dann dort ein Zentrum gruendet, das er selbst finanzieren muss (oftmals ausschliesslich durch Spenden). Keine einfache Aufgabe, doch der Glaube an die Wichtigkeit dieses Unternehmens gibt ihnen Staerke.
Als ich diesen Morgen auf der CNN Webseite nach Neuigkeiten ueber die Situation in Mumbai suche, lese ich, dass Rabbi Holtzberg und seine Frau, sowie die anderen Geiseln nach wie vor vermisst werden. Hoffen wir, dass sie bald bei bester Gesundheit gefunden werden.
Schabbat Schalom.
Dienstag, 25. November 2008
Mexikanische Falafel
Viele sagen, der neue Falafel-Boom sei vor allem einem Mann zu verdanken: Nathaniel Goldstock. Sein Imbiss "Falafel Benzona", der sich in den chicken Stadtteilen von Condesa und Polanco fand, wurde vom Chilango Magazin mit vier Sternen ausgezeichnet, und das DF Magazin listete "Falafel Benzona" als eines von Mexikos besten Restaurants mit Speisen unter 150 Mexikanischen Pesos, was etwa 8 Euro entspricht.
Goldstock ist uebrigens mehr als nur ein Falafelkoch. Der gebuertige New Yorker kommt aus einer chassidischen Familie und hat sich vollkommen von den Lubawitschern getrennt. Die Dokumentation "Brooklyn Exile", an der er beteiligt war, beschaeftigt sich mit dem Phaenomen von Ex-Chassiden und deren Versuche, ein normales Leben zu fuehren. Goldstock ist auch ein sehr begabter Portraitfotograf und genialer Retouchierer.
Falafel Benzona war uebrigens sehr beliebt bei israelischen Rucksacktouristen, die wohl auch der Name anzog. Benzona heisst Sohn einer Hure, und wenn man sich das Logo ganz genau anschaut, stellt man fest, dass es sich nicht um praekolumbianische Wandmalerei handelt, sondern dort hebraeische Buchstaben "versteckt" sind, die eben das Wort "Ben Zona" schreiben.
Freitag, 21. November 2008
Nomen Est Omen
Donnerstag, 20. November 2008
Die letzte Synagoge des East Village
Interessanterweise gibt es jetzt neue Entwicklungen. Eine Gruppe von Juden im East Village (oder noerdlichen Teil der Lower East Side, je nachdem wie man die nicht klar definierten Grenzen zieht) hat angefangen, junge (orthodoxe) Juden aus anderen Gegenden New Yorks in ihre Gegend zu locken. Wie? In dem man bei der Wohnungssuche hilft. Die Website http://www.jewishlowereastside.org/ bringt einen zu der neuen Website, die jungen Menschen helfen soll, sich in diesem Teil von Manhattan niederzulassen, und dort die leeren Synagogen zu fuellen. Und es scheint erfolgreich zu sein. Der Grund, so erklaert mir ein junges Paar, das vor kurzem eine Wohnung suedlich von Houston Street fand: "Es hat eine familiaere Atmosphaere, die man nur selten in New York findet."
Montag, 17. November 2008
Taxi Tel Aviv
Mittwoch, 12. November 2008
Barcelona
Im Jahr 1391, also mehr als hundert Jahre bevor die Juden aus Spanien vertrieben wurden, wurde bereits die Sinagoga Mayor, die grosse Synagoge von Barcelona in einem Pogrom zerstoert. Erst im 20. Jahrhundert, also mehr als 500 Jahre spaeter, gruendete sich wieder eine juedische Gemeinde in Barcelona, und erst vor etwas mehr als zehn Jahren wurde die Synagoge wiederentdeckt.
Der Historiker Jaume Riera y Sans wies 1987 den Standpunkt der Synagoge nach. Ein eher unscheinbares Gebaeude in der Call, dem ehemaligen juedischen Viertel, das im Keller eine Bar beheimatete und darueber enge, dunkle Apartments, wie sie sehr typisch fuer das mittelalterliche Zentrum der Stadt sind. Als das Gebaeude 1995 zum Verkauf angeboten wurde, erwarb es Miguel Iaffa, ein Mitglied der heutigen juedischen Gemeinde von Barcelona.
Iaffa hoffte, in dem Gebaeude Spuren der ehemaligen Synagoge zu finden. Er tat sich mit Riera zusammen, und 1999 begann man mit den Ausgrabungen. Heute, zehn Jahre spaeter, dokumentiert eine Website die Geschichte des Ortes, der bereits seit Jahren eine Touristenattraktion geworden ist, auch wenn dort nicht allzu viel zu sehen ist.
Es gibt noch drei weitere Synagogen, die sich ebenfalls in dem Viertel befanden und heute ebenfalls fuer andere Zwecke benutzt werden, doch aus Kostengruenden, so erklaert einer der jungen Israelis, der die Tickets in der Sinagoga Mayor verkauft und Touristen herum fuehrt, werde man diese wohl nicht erwerben. "Die Eigentuemer haben gesehen, wie viele Touristen zu diesen Ort kommen und verlangen nun uebertriebene Preise fuer ihre Gebaeude."
Freitag, 7. November 2008
Zum 9. November
Am Sonntag jaehrt sich zum 70. Mal der Jahrestag der Reichpogromnacht, die in Amerika unter dem von den Nazis benutzten zynischen Begriff "Kristallnacht" bekannt ist. Fuer deutsche Juden ist der 9. November der inoffizielle Holocaust Gedenktag. Spaetestens nach diesem Pogrom war klar, dass es keine Zukunft fuer Juden in Nazi-Deutschland gab.
Vor Kurzem interviewte ich Margot Friedlander, die sich noch gut an das Pogrom erinnern konnte. Friedlander, die heute in Kew Gardens in Queens lebt, hat eine faszinierende (Ueber-)Lebensgeschichte, verbrachte sie doch ueber ein Jahr in Berlin in verschiedenen Verstecken, und ueberlebte dann das KZ Theresienstadt nur mit Glueck. "Das Schicksal hat es immer gut mit mir gemeint," versichert sie mir.
In Theresienstadt lernte sie ihren Mann kennen, den sie schon fluechtig aus Berlin kannte, nach der Befreiung heiraten beide im KZ und wandern nach Amerika aus.
Adolf Friedlander wollte nie wieder einen Fuss auf deutschen Boden setzen, und auch wenn die beiden weiterhin in deutschen Kreisen verkehren - die meisten ihrer Bekannten in New York sind ebenfalls deutsche Juden, zu Hause liest man deutsche Zeitungen - bleibt er sich dessen treu. Als er vor ueber zehn Jahren stirbt, besucht seine Frau einen Schreibkurs und faengt an, ueber ihre Zeit im Versteck zu schreiben.
Der Filmemacher Thomas Halaczinsky (auf dem Foto mit ihr zu sehen) interessiert sich fuer ihre Geschichte, die nicht die ueblichen Schwarzweissstruktur hat, denn diejenigen, die Margot verstecken, sind nichtjuedische Deutsche, und diejenigen, die sie entdecken und ins KZ schicken, sind Juden. Halaczinsky ueberzeugt Margot Friedlaender fuer den Film zurueck nach Deutschland zu kehren, was der Dokumentation eine weitere Dimension gibt. Eben keine typische Holocaustdokumentation, sondern, wie Halaczinky sagt, ein Film ueber "eine Frau, die nach ihrer Identität sucht." Der Film "Don't Call It Heimweh" erschien 2004, ihre Biographie "Versuche, Dein Leben zu machen" dieses Jahre bei Rowohlt und wird im Maerz mit dem Einhard-Preis ausgezeichnet.
Was noch viel wichtiger ist, als das spaete Interesse an ihrer Lebensgeschichte, ist, dass Margot Friedlaender wieder Bezug zu ihrer ehemaligen Heimat gefunden hat. Als ich mich von ihr in ihrem Apartment verabschiede, gesteht sie ein, dass sie manchmal sogar ueberlegt, wieder nach Deutschland zu ziehen. "Aber ich bin zu alt dafuer. Waere das alles zehn Jahre frueher passiert..."
Mittwoch, 5. November 2008
Yes, we can!
Vor zwei Jahren traf ich Barak Obama das erste Mal. Der Senator aus Chicago sprach damals auf der Jahreshauptversammlung des American Jewish Committee (siehe Foto), das seinen 100. Geburtstag feierte. Wir sprachen anschliessend ein wenig, und ich fand ihn sehr sympathisch.
Ein Jahr spaeter begegnete ich Barak Obama auf dem Kongress des American Israeli Public Affairs Committee (AIPAC), und auch hier hatte ich die Chance, kurz mit ihm zu sprechen.
Gestern machte Obama Geschichte, als er zum ersten afroamerikanischen Praesidenten der USA gewaehlt wurde. Und dies mit einer ueberzeugenden Mehrheit.
Obamas Wahlkampf war beeindruckend. Noch nie in der Geschichte der USA wurden so viele junge Waehler mobilisiert. Noch nie wurden so viele kleine Wahlspenden von einem Kandidaten eingesammelt. Noch nie wurde das Internet so geschickt fuer einen Wahlkampf eingesetzt.
Im Vorfeld der Wahlen wurde vor allem im Ausland darueber spekuliert, ob Amerika "reif" sei fuer einen schwarzen Praesidenten. Skeptiker monierten, dass viele in den Umfragen nicht ehrlich seien, da niemand zugeben wolle, dass er oder sie nicht fuer einen Schwarzen seine/ihre Stimme abgeben wolle.
Dem war nicht so. Obama mobilisierte die Massen. Der Sohn eines afrikanischen Vaters und einer weissen, amerikanischen Mutter, der in Hawaii aufwuchs, scheint die Wunden der Vergangenheit zu heilen.
Die Wahl war eine Abrechnung mit acht Jahren Bush-Regierung, die das Land im Chaos hinterlaesst. Die Wahlen waren aber vor allem auch ein Zeichen der Hoffnung.
Es ist ein stolzer Moment fuer Amerikaner, die unter Beweis stellen, dass das Land sich immer wieder neu definiert. Fuer den Rest der Welt ein Moment, der einem endlich wieder erlaubt, Amerika zu moegen, was in den letzten Jahren nicht leicht gemacht wurde.
Am 20. Januar wird er offiziell sein Amt antreten. Ob ich ihn jemals wieder so nah kommen werde wie in der Vergangenheit, mag ich jedoch bezweifeln.
Dienstag, 4. November 2008
In eigener Sache: Topographien
Montag, 3. November 2008
Sukkot in Bryant Park
Samstag, 1. November 2008
Kreuzfahrtrabbiner
Doch nun kommt das Dilemma: Einerseits will man Urlaub machen, andererseits seine Familie in Deutschland sehen.
Und noch viel dilemmatischer (OK, ich weiss, das Wort gibt es nicht), was macht man, wenn der hoechste Feiertag im Judentum, das Versoehnungsfest Jom Kippur, genau in diese Zeit faellt.
Ich hatte also schon ein schlechtes Gewissen, als wir mit meinen Eltern planten, ueber Jom Kippur eine Mittelmeerkreuzfahrt zu unternehmen, aber andererseits war es die einzige Moeglichkeit, ein wenig zu relaxen und gemeinsam Zeit zu verbringen. Mein urspruenglicher Plan war, auf jeden Fall zu fasten, auch wenn wir wohl keinen Gottesdienst besuchen wuerden.
Aber dann kam alles ganz anders. Lisa schaute in das aktuelle Programmangebot (jeden Tag gibt es einen Newsletter, der die Aktivitaeten auf dem Schiff ankuendigt) und sah, dass es einen Jom Kippur Gottesdienst auf dem Schiff gab.
Positiv ueberrascht gingen wir alle gemeinsam hin -- wer moegen wohl die anderen Juden auf dieser Kreuzfahrt sein? -- und stellten fest, dass gut ein Dutzend Leute ebenfalls kamen.
Der Rabbiner (siehe Foto) selbst kam aus Israel, und fuer ihn war es die erste Kreuzfahrt. Der Gottesdienst, wie die gesamte Schiffsreise, war "freestyle", aber deshalb auf keinen Fall weniger bedeutsam. Die Teilnehmer eine internationale Familie, wobei die Mehrheit aus New York kam.
Fuer den 68jaehrigen Reformrabbiner war es die erste Kreuzfahrt. "Ich war immer neugierig darauf. Und als das Angebot kam, konnte ich nicht nein sagen." Der in Jerusalem geborene Israeli war eigentlich Cellist - ein Kostprobe gab er seiner internationalen Gemeinde beim Kol Nidre Gottesdienst - und wurde 1983 als Reformrabbiner am Hebrew Union College ordiniert. Er war zwei Jahre in Sydney, Australien, dann von 1990 bis 2001 in England, hauptsaechlich in Newcastle, und dann auch in Mitteleuropa, vor allem in Wien und Prag, taetig. Nun seit vier Jahren im Ruhestand hat er keine Gemeinde, um die er sich regelmaessig kuemmern muss, und erfuellt damit das Kriterium, dass die Norwegian Cruise Line hat. Wie andere Kreuzfahrten auch, bietet sie Geistlichen an, an hohen Feiertagen kostenlos an einer Kreuzfahrt teilzunehmen. Als Gegenleistung bieten sie dann Gottesdienste an. Ein Angebot, das es momentan neben Rosch Haschana, Jom Kippur, Hanukah und Pesach gibt.
Mehrheitlich gehoeren amerikanische Geistliche den Verband pensionierter Rabbiner an, so dass es gut sein kann, dass Moshe Yehudai, so uebrigens sein Name, der erste israelische Rabbiner auf einer NCL Kreuzfahrt war. Die Woche auf See (zu Rosch Haschana war ein anderer Rabbiner auf dem Schiff taetig) hat ihm gut gefallen. "Das wuerde ich auf jeden Fall nochmal machen."
Und so geht es uns auch.