Donnerstag, 27. November 2008

Die Armee des Messias

Die schrecklichen Terroranschlaege in Mumbai kamen als grosser Schock. Gebannt sass ich vor dem Fernseher, wechselte zwischen CNN International und BBC World News hin und her, als ploetzlich ein Kommentator erwaehnte, dass, auch wenn bisher nicht erwaehnt, auch ein orthodoxes juedisches Zentrum angegriffen wurde.
Sofort war mir klar, dass es sich um ein Chabadhaus handeln muesse. Meine Vermutung wurde ein paar Minuten spaeter bestaetigt. Online fand ich dann spaeter mehr Informationen, so etwa dass das Kindermaedchen mit dem zweijaehrigen Sohn aus dem Haus rannte und so das Kind in Sicherheit brachte (berichtet in Haaretz) und spaeter, dass die Aktion im Chabadhaus zwar beendet sei, aber der Leiter des Zentrums, seine Frau und weitere Geiseln bisher noch vermisst werden (berichtet in der Jerusalem Post). In einem Videoclip auf der Webseite der Jerusalem Post erwaehnt ein Bekannter von Rabbi Holtzberg, dass alle Lubawitscher eine grosse Familie seien, und man daher sehr besorgt um den Chabad-Scheliach in Mumbai sei.
Das Phaenomen von Chabad-Schluchim (so der Plural von Scheliach), so der hebraeische Name fuer die Emissare oder - da es kein besseres Wort im Deutschen gibt, auch wenn es nicht ganz treffend ist - "Missionare", ist einzigartig in der Welt. Es geht diesen Schluchim nicht darum, Menschen zum Judentum zu missionieren, sondern Juden die Moeglichkeit zu geben, juedisch zu leben. Im Mumbai kommen zum Chabadhaus viele Israelis, von Rucksacktouristen bis hin zu Geschaeftsleuten, und auch an anderen Orten der Welt kann man Gesandte der Chabadbewegung finden, die einem eine juedische Atmosphaere geben.
Weltweit gibt es mehr als Tausend solcher Schluchim, die sich einmal im Jahr in Crown Heights, Brooklyn, dem Zentrum der Chabadbewegung, treffen (siehe Foto vom letztjaehrigen Treffen). Ich habe einmal gelesen, dass sie die Armee des Rebbe seien (gemeint, Menachem Mendel Schneerson, den viele Anhaenger als den Messias sahen und sehen). Und auch wenn diese Armee keine Kriege fuehrt, so ist sind ist ein Scheliach doch ein beeindruckender Soldat, da er alles aufgibt, in ein fremdes Land zieht, und dann dort ein Zentrum gruendet, das er selbst finanzieren muss (oftmals ausschliesslich durch Spenden). Keine einfache Aufgabe, doch der Glaube an die Wichtigkeit dieses Unternehmens gibt ihnen Staerke.
Als ich diesen Morgen auf der CNN Webseite nach Neuigkeiten ueber die Situation in Mumbai suche, lese ich, dass Rabbi Holtzberg und seine Frau, sowie die anderen Geiseln nach wie vor vermisst werden. Hoffen wir, dass sie bald bei bester Gesundheit gefunden werden.
Schabbat Schalom.

Dienstag, 25. November 2008

Mexikanische Falafel

Denkt man an mexikanisches Essen, dann denkt man wohl an Burritos, Mole, Salsa Picante und andere typischen Delikatessen, doch in der multikulturellen Ciudad de Mexico scheint momentan etwas ganz anderes auf der Speisekarte zu sein: Falafel.
Viele sagen, der neue Falafel-Boom sei vor allem einem Mann zu verdanken: Nathaniel Goldstock. Sein Imbiss "Falafel Benzona", der sich in den chicken Stadtteilen von Condesa und Polanco fand, wurde vom Chilango Magazin mit vier Sternen ausgezeichnet, und das DF Magazin listete "Falafel Benzona" als eines von Mexikos besten Restaurants mit Speisen unter 150 Mexikanischen Pesos, was etwa 8 Euro entspricht.
Goldstock ist uebrigens mehr als nur ein Falafelkoch. Der gebuertige New Yorker kommt aus einer chassidischen Familie und hat sich vollkommen von den Lubawitschern getrennt. Die Dokumentation "Brooklyn Exile", an der er beteiligt war, beschaeftigt sich mit dem Phaenomen von Ex-Chassiden und deren Versuche, ein normales Leben zu fuehren. Goldstock ist auch ein sehr begabter Portraitfotograf und genialer Retouchierer.
Falafel Benzona war uebrigens sehr beliebt bei israelischen Rucksacktouristen, die wohl auch der Name anzog. Benzona heisst Sohn einer Hure, und wenn man sich das Logo ganz genau anschaut, stellt man fest, dass es sich nicht um praekolumbianische Wandmalerei handelt, sondern dort hebraeische Buchstaben "versteckt" sind, die eben das Wort "Ben Zona" schreiben.

Freitag, 21. November 2008

Nomen Est Omen


Vor einer Woche feierten wir den ersten Geburtstag von unserem Sohn Leon. Heute startet JTA, die Jewish Telegraphic Agency, eine neue Kolumne ueber juedische Identitaet und Familie. Die Kolumnistin ist Lisa, und der erste Beitrag dreht sich um die Namenssuche fuer unseren Sohn.
Die Frage nach Identitaet moderner, nicht unbedingt religioeser juedischer Familien scheint sehr en vogue zu sein. In Deutschland gibt es den Familienmentsch, in den USA bis vor Kurzem Jewish Living, das jedoch auf finanziellen Gruenden schliessen musste.
In ihrer Kolumne wird Lisa sich also mit unseren alltaeglichen Fragen auseinandersetzen, die wir als junge, juedische Eltern haben, und die wahrscheinlich universeller sind, als mancher annimmt.

Donnerstag, 20. November 2008

Die letzte Synagoge des East Village

Vor ein paar Wochen schrieb ich fuer Tachles eine Story ueber die letzte Synagoge des East Village. Das Gebaeude soll verkauft werden, doch dieser Verkauf (und der drohende Abriss) hat weiten Protest ausgeloest. Die Geschichte kann hier nachgelesen werden.
Interessanterweise gibt es jetzt neue Entwicklungen. Eine Gruppe von Juden im East Village (oder noerdlichen Teil der Lower East Side, je nachdem wie man die nicht klar definierten Grenzen zieht) hat angefangen, junge (orthodoxe) Juden aus anderen Gegenden New Yorks in ihre Gegend zu locken. Wie? In dem man bei der Wohnungssuche hilft. Die Website http://www.jewishlowereastside.org/ bringt einen zu der neuen Website, die jungen Menschen helfen soll, sich in diesem Teil von Manhattan niederzulassen, und dort die leeren Synagogen zu fuellen. Und es scheint erfolgreich zu sein. Der Grund, so erklaert mir ein junges Paar, das vor kurzem eine Wohnung suedlich von Houston Street fand: "Es hat eine familiaere Atmosphaere, die man nur selten in New York findet."

Montag, 17. November 2008

Taxi Tel Aviv


Wenn ich nach Israel fahre, so ist es meistens beruflich, und das heisst auch, dass ich normalerweise nur in Jerusalem bin und nichts anders vom Land sehen. Als ich vor ein paar Wochen wieder in Israel war, insgesamt fuer vier Tage, beschloss ich, einen kurzen Abstecher nach Tel Aviv zu machen.
Genauer genommen waren es zwei kurze Abstecher, da ich zunaechst vom Flughafen nach Kfar Chabad fuhr (die Geschichte spare ich mir fuer ein anderes Mal), und dann von dort zunaechst mit dem Zug nach Tel Aviv fuhr, um von dort ein Taxi nach Jerusalem zu nehmen.
Meine Taxifahrt von Tel Aviv nach Jerusalem erinnerte mich an "Night on Earth", einen meiner Lieblingsfilme von Jim Jarmusch. Der Taxifahrer, in Indien geboren, jedoch schon als kleines Kind kurz nach der Staatsgruendung nach Israel gekommen, kannte sich offentlichtlich nicht in Jerusalem aus. Von Tel Aviv bis nach Jerusalem ging es schnell. Wir machten ein wenig "small talk" -- ich war bereits der dritte New Yorker, den er an diesem Tag herum kutschiert hatte -- er war vor etwa zehn Jahren in New York, es gefiel ihm dort jedoch nicht so gut, nach Indien ist er nie zurueck gekehrt, warum auch, es gibt genug in Israel zu sehen, und dort ist es bestimmt nur laut und dreckig etc. Als wir in Jerusalem ankamen, nutzte er jede rote Ampel aus, um sein Fenster herunter zu kurbeln und zum Nachbarauto zu schreien, wo denn das Dan Boutique Hotel sei, und jedes Mal schienen die Instruktionen unterschiedlich zu sein. Ueber eine Stunde irrten wir durch Jerusalems Umgebung, einschliesslich der arabischen Doerfer darum herum. Der Blick aus dem Fenster, die spaerlich beleuchteten Siedlungen, all das erinnerte mich an Night on Earth. Filmreif, auch wenn ich froh war, endlich im Hotel anzukommen.
Nach meine Konferenz wollte ich einen halben Tag in Tel Aviv verbringen. Ich glaube, das letzte Mal, dass ich in Tel Aviv war, war zum 50. Jahrestag der Staatsgruendung, als wir mit der einzig offiziellen juedischen Delegation aus Deutschland dorthin kamen und ich eine Rede in der Unabhaengigkeitshalle halten musste. Um Geld zu sparen, wollte ich eigentlich mit dem Bus fahren, doch dann ueberredete mich mein Taxifahrer, der angeblich fuenf Kinder hatte, aber zwei Jahre juenger als ich war, doch mit ihm nach Tel Aviv zu fahren, da ich Zeit sparen wuerde. Ich liess mich ueberzeugen, da mein Flug kurz nach Mitternacht war, und es schon gegen 16 Uhr dunkel wurde. Warum nicht mehr Zeit am hellen Tag in Tel Aviv verbringen?
Als wir auf der Autobahn waren, wurde mir ploetzlich klar, dass mein Taxifahrer Araber war. Vor zehn Jahren, haette mir das keine Sorgen bereitet, aber das war vor zehn Jahren. Meine Paranoia fing an, als er ploetzlich ein sehr lautes Telefongespraech auf arabisch fuehrte, wobei mir jedes zweite Worte wie "alla alakbar" oder so vorkam. "Meine Frau," sagte er laechelnd. Ich nickte. In meinem Kopf hatte ich meine eigene Uebersetzung des Telefonats erstellt, in der er seinen Kollegen mitteilte, dass er einen Selbstmordanschlag in Tel Aviv plane. Und dann hoerte ich da ploetzlich ein Ticken. Ja, da tickte es doch im Kofferraum.
Wir machten ein wenige "small talk". Mein Chauffeur wurde in Jerusalem geboren, der einzig wahren Stadt, wie er sagt. Diese Aussage beruhigt mich auch nicht. Nein, Tel Aviv kenne er nicht gut. Woher ich denn komme? Deutschland. Ja, da war er mal. Wo? Weiss er nicht mehr, jedoch war er dort nur fuehr drei Tage, um in einer Werkstatt was zu lernen. Bombenbau? frage ich mich, doch wage nicht, meine Befuerchtung auszusprechen.
Ob es mir etwas ausmachen wuerde, wenn er das Radio anmache. Nein, kein Problem. Die Musik, arabisch natuerlich, klang zwar schoen, aber wer weiss, was da gesungen wurde? War das die arabische Version von Neonazimusik, die zur Zerstoerung des zionistischen Regimes aufrief und versprach, dass man mit Jungfrauen im Himmel fuer seinen Einsatz belohnt werde?
Ich war beruhigter, als wir in Tel Aviv ankamen. Die Stadt hat sich sehr veraendert. Ueberall sieht man nun Hochhaeuser, das Bauhausviertel um den Boulevard Rothschild ist zum groessten Teil schoen restauriert worden, und Fahrradwege fanden sich auch fast ueberall. Wie schon auf meiner Hinfahrt kannte sich mein Taxifahrer nicht aus. Das Fenster wurde runtergekurbelt, und auf hebraeisch, mit starkem arabischen Akzent, fragte er nach der Adresse meiner Freundin Oranit. Anscheinend war niemand beunruhigt, einen arabischen Taxifahrer hier zu sehen, und so war auch ich beruhigter.
Wir finden die Adresse auf der Allenby recht schnell und ich komme gut an. Alle Sorge umsonst. Er wuenscht mir einen schoenen Tag in Tel Aviv, ich ihm eine gute Rueckfahrt nach Jerusalem. Es ist eben doch etwas anderes, Israel als Medienphaenomen zu kennen, wo der Konflikt allgegenwaertig ist, oder eben den wirklichen Alltag mitzuerleben, in dem Taxifahrer aus Tel Aviv und Jerusalem die jeweils andere Stadt erkunden, auf der Suche nach Adressen und Menschen, die ihnen helfen, den Weg zu finden.

Mittwoch, 12. November 2008

Barcelona



Im Jahr 1391, also mehr als hundert Jahre bevor die Juden aus Spanien vertrieben wurden, wurde bereits die Sinagoga Mayor, die grosse Synagoge von Barcelona in einem Pogrom zerstoert. Erst im 20. Jahrhundert, also mehr als 500 Jahre spaeter, gruendete sich wieder eine juedische Gemeinde in Barcelona, und erst vor etwas mehr als zehn Jahren wurde die Synagoge wiederentdeckt.
Der Historiker Jaume Riera y Sans wies 1987 den Standpunkt der Synagoge nach. Ein eher unscheinbares Gebaeude in der Call, dem ehemaligen juedischen Viertel, das im Keller eine Bar beheimatete und darueber enge, dunkle Apartments, wie sie sehr typisch fuer das mittelalterliche Zentrum der Stadt sind. Als das Gebaeude 1995 zum Verkauf angeboten wurde, erwarb es Miguel Iaffa, ein Mitglied der heutigen juedischen Gemeinde von Barcelona.
Iaffa hoffte, in dem Gebaeude Spuren der ehemaligen Synagoge zu finden. Er tat sich mit Riera zusammen, und 1999 begann man mit den Ausgrabungen. Heute, zehn Jahre spaeter, dokumentiert eine Website die Geschichte des Ortes, der bereits seit Jahren eine Touristenattraktion geworden ist, auch wenn dort nicht allzu viel zu sehen ist.
Es gibt noch drei weitere Synagogen, die sich ebenfalls in dem Viertel befanden und heute ebenfalls fuer andere Zwecke benutzt werden, doch aus Kostengruenden, so erklaert einer der jungen Israelis, der die Tickets in der Sinagoga Mayor verkauft und Touristen herum fuehrt, werde man diese wohl nicht erwerben. "Die Eigentuemer haben gesehen, wie viele Touristen zu diesen Ort kommen und verlangen nun uebertriebene Preise fuer ihre Gebaeude."

Freitag, 7. November 2008

Zum 9. November






Am Sonntag jaehrt sich zum 70. Mal der Jahrestag der Reichpogromnacht, die in Amerika unter dem von den Nazis benutzten zynischen Begriff "Kristallnacht" bekannt ist. Fuer deutsche Juden ist der 9. November der inoffizielle Holocaust Gedenktag. Spaetestens nach diesem Pogrom war klar, dass es keine Zukunft fuer Juden in Nazi-Deutschland gab.
Vor Kurzem interviewte ich Margot Friedlander, die sich noch gut an das Pogrom erinnern konnte. Friedlander, die heute in Kew Gardens in Queens lebt, hat eine faszinierende (Ueber-)Lebensgeschichte, verbrachte sie doch ueber ein Jahr in Berlin in verschiedenen Verstecken, und ueberlebte dann das KZ Theresienstadt nur mit Glueck. "Das Schicksal hat es immer gut mit mir gemeint," versichert sie mir.
In Theresienstadt lernte sie ihren Mann kennen, den sie schon fluechtig aus Berlin kannte, nach der Befreiung heiraten beide im KZ und wandern nach Amerika aus.
Adolf Friedlander wollte nie wieder einen Fuss auf deutschen Boden setzen, und auch wenn die beiden weiterhin in deutschen Kreisen verkehren - die meisten ihrer Bekannten in New York sind ebenfalls deutsche Juden, zu Hause liest man deutsche Zeitungen - bleibt er sich dessen treu. Als er vor ueber zehn Jahren stirbt, besucht seine Frau einen Schreibkurs und faengt an, ueber ihre Zeit im Versteck zu schreiben.
Der Filmemacher Thomas Halaczinsky (auf dem Foto mit ihr zu sehen) interessiert sich fuer ihre Geschichte, die nicht die ueblichen Schwarzweissstruktur hat, denn diejenigen, die Margot verstecken, sind nichtjuedische Deutsche, und diejenigen, die sie entdecken und ins KZ schicken, sind Juden. Halaczinsky ueberzeugt Margot Friedlaender fuer den Film zurueck nach Deutschland zu kehren, was der Dokumentation eine weitere Dimension gibt. Eben keine typische Holocaustdokumentation, sondern, wie Halaczinky sagt, ein Film ueber "eine Frau, die nach ihrer Identität sucht." Der Film "Don't Call It Heimweh" erschien 2004, ihre Biographie "Versuche, Dein Leben zu machen" dieses Jahre bei Rowohlt und wird im Maerz mit dem Einhard-Preis ausgezeichnet.
Was noch viel wichtiger ist, als das spaete Interesse an ihrer Lebensgeschichte, ist, dass Margot Friedlaender wieder Bezug zu ihrer ehemaligen Heimat gefunden hat. Als ich mich von ihr in ihrem Apartment verabschiede, gesteht sie ein, dass sie manchmal sogar ueberlegt, wieder nach Deutschland zu ziehen. "Aber ich bin zu alt dafuer. Waere das alles zehn Jahre frueher passiert..."

Mittwoch, 5. November 2008

Yes, we can!



Vor zwei Jahren traf ich Barak Obama das erste Mal. Der Senator aus Chicago sprach damals auf der Jahreshauptversammlung des American Jewish Committee (siehe Foto), das seinen 100. Geburtstag feierte. Wir sprachen anschliessend ein wenig, und ich fand ihn sehr sympathisch.

Ein Jahr spaeter begegnete ich Barak Obama auf dem Kongress des American Israeli Public Affairs Committee (AIPAC), und auch hier hatte ich die Chance, kurz mit ihm zu sprechen.

Gestern machte Obama Geschichte, als er zum ersten afroamerikanischen Praesidenten der USA gewaehlt wurde. Und dies mit einer ueberzeugenden Mehrheit.

Obamas Wahlkampf war beeindruckend. Noch nie in der Geschichte der USA wurden so viele junge Waehler mobilisiert. Noch nie wurden so viele kleine Wahlspenden von einem Kandidaten eingesammelt. Noch nie wurde das Internet so geschickt fuer einen Wahlkampf eingesetzt.

Im Vorfeld der Wahlen wurde vor allem im Ausland darueber spekuliert, ob Amerika "reif" sei fuer einen schwarzen Praesidenten. Skeptiker monierten, dass viele in den Umfragen nicht ehrlich seien, da niemand zugeben wolle, dass er oder sie nicht fuer einen Schwarzen seine/ihre Stimme abgeben wolle.

Dem war nicht so. Obama mobilisierte die Massen. Der Sohn eines afrikanischen Vaters und einer weissen, amerikanischen Mutter, der in Hawaii aufwuchs, scheint die Wunden der Vergangenheit zu heilen.

Die Wahl war eine Abrechnung mit acht Jahren Bush-Regierung, die das Land im Chaos hinterlaesst. Die Wahlen waren aber vor allem auch ein Zeichen der Hoffnung.

Es ist ein stolzer Moment fuer Amerikaner, die unter Beweis stellen, dass das Land sich immer wieder neu definiert. Fuer den Rest der Welt ein Moment, der einem endlich wieder erlaubt, Amerika zu moegen, was in den letzten Jahren nicht leicht gemacht wurde.

Am 20. Januar wird er offiziell sein Amt antreten. Ob ich ihn jemals wieder so nah kommen werde wie in der Vergangenheit, mag ich jedoch bezweifeln.

Dienstag, 4. November 2008

In eigener Sache: Topographien


Ruth Ellen Gruber, in Sachen "Jewish Heritage" eine Autoritaet, hat vor Kurzem in ihrer Kolumne "Ruthless Cosmopolitan" die Anthologie "Jewish Topographies: Visions of Space, Tradition of Place" besprochen - und gleichzeitig auch unsere Bekanntschaft.
Wir kennen das Spiel: Du kennst jemanden, der jemanden kennt, der wiederum mich kennt, also sind wir indirekt bekannt.
In meinem Fall habe ich Ruth vor vielen Jahren auf der Jahreshauptversammlung des American Jewish Committee in Washington DC kennengelernt. Ich war damals der Vorsitzende der European Union of Jewish Students und sprach ueber Antisemitismus in Europa aus einer Studentenperspektive.
Als ich Jahre spaeter in New York mein Glueck als Fotograf versuchte und ein Projekt zu ehemaligen juedischen Nachbarschaften im Big Apple began, traf ich mich mit ihrem Bruder Sam, der sich ebenfalls mit juedischem Kulturerbe geschaeftig und ein Buch zu amerikanischer Synagogenarchitektur herausgegeben hat (-- urspruenglich wollte Sam mir helfen, aber aus der Kooperation wurde leider nichts). Wir stellten damals fest, dass ein Freund meiner Grossmutter in Hamburg ein Verwandter der amerikanischen Grubers ist.
Vor einem Jahr oder so interviewte Lisa sie ueber ihr Buch "Jewish Heritage Travel" (siehe hierzu auch dieses Blog) und sie erinnerte sich noch an mich. Als ich dann anfing, beim JDC zu arbeiten, trafen wir uns kurz wieder. Nun sind wir Facebook-Freunde und als das o.g. Buch erschien, postete ich denk Link hierzu, worauf mich Ruth kontaktierte und um ein Rezensionsexemplar bat -- und in ihrer Kolumne erwaehnt sie dann auch den Freund meiner Grossmutter (aber lest selbst).
Das Buch ist auf jeden Fall lesenswert und beschaeftigt sich mit verschiedenen Aspekten von juedischer Topographie, von alternativer juedischer (Web-)Kultur in Budapest, ueber Gaerten im Ghetto, bis hin zu virtuellen Welten (mein Essay).
Eine der Herausgeberinnen, ganz nebenbei erwaehnt, hat eine aehnlich zufaellige Verbindung zu mir. Als ich damals zur Jahreshauptversammlung des American Jewish Committee kam, machte ich einen Abstecher nach New York, wo ich einen Typen aus meiner Heimatstadt Muenster traf, der wiederum mit jemanden befreundet war, die Jiddisch studierte (beide sind nicht juedisch, auch wenn er spaeter eine juedische Hochzeit hatte und sie heute Expertin zum jiddischen Vilna ist).
A stranger is a friend you don't know...

Montag, 3. November 2008

Sukkot in Bryant Park





Chabad hat wie jedes Jahr in Bryant Park, dem Lieblingstreffpunkt von Carrie Bradshaw in der Kultserie "Sex and the City", ein Sukkah aufgebaut, in der man sich zum Mittagessen (und manchmal auch zum Gebet) trifft.

Laut Rabbi Yeshua Metzger von Chabad Midtown existiert die Sukkah in Bryant Park seit nunmehr 13 Jahren. Als ich ihn in der Sukkah besuche, wird er staendig abgelenkt. Einige Besucher wollen wissen, wo es koscheres Essen gibt, Metzger begruesst eine Schulklasse, die gerade von einem Museum kommt, ein paar Touristen aus Italien fragen nach, was denn dieser Kasten sei. In dem "Kasten", der taeglich von 9 Uhr morgens bis 10 Uhr abends geoeffnet ist, finden sich Leute, die so unterschiedlich sind wie ihr Essen. Ein paar Businessmaenner diskutieren die Wirtschaftslage bei Sushi und Salat, ein paar Freunde aus Long Island, die in Midtown arbeiten, teilen sich koschere Pizza und ein paar Besucher aus Brooklyn bestellen sich koschere Hotdogs via Handy, direkt in die Sukkah geliefert. Only in New York.

"This is the crossroad of the world," erklaert Rabbi Metzger, der einem aelteren Paar aus Queens, das mit russischem Akzent Englisch spricht, hilft, den Segenspruch ueber den Lulav zu sagen. Bryant Park, zwischen Times Square und Grand Central gelegen, ist im Herzen Manhattans, und hier trifft sich tatsaechlich alle Welt.

Die New York Times hatte eine nette Reportage darueber. Es waere schoen, solche Offenheit auch in Europa sehen zu koennen, aber New York ist diesbezueglich wohl einzigartig in der Diaspora.

Wahlen in den USA

Ohne Worte...

Samstag, 1. November 2008

Kreuzfahrtrabbiner

Wenn man in Amerika arbeitet, hat man ein gravierendes Problem. Man hat nur sehr begrenzte Ferienzeit. Oft nur zwei Wochen. Wenn man jedoch fuer eine juedische Organisation arbeitet, dann hat man zumindest die juedischen Feiertage zusaetzlich frei, so dass man, wenn man geschickt kombiniert, mit ein paar Tagen Urlaub schnell zwei Wochen Ferien zusammen bekommt.
Doch nun kommt das Dilemma: Einerseits will man Urlaub machen, andererseits seine Familie in Deutschland sehen.
Und noch viel dilemmatischer (OK, ich weiss, das Wort gibt es nicht), was macht man, wenn der hoechste Feiertag im Judentum, das Versoehnungsfest Jom Kippur, genau in diese Zeit faellt.
Ich hatte also schon ein schlechtes Gewissen, als wir mit meinen Eltern planten, ueber Jom Kippur eine Mittelmeerkreuzfahrt zu unternehmen, aber andererseits war es die einzige Moeglichkeit, ein wenig zu relaxen und gemeinsam Zeit zu verbringen. Mein urspruenglicher Plan war, auf jeden Fall zu fasten, auch wenn wir wohl keinen Gottesdienst besuchen wuerden.
Aber dann kam alles ganz anders. Lisa schaute in das aktuelle Programmangebot (jeden Tag gibt es einen Newsletter, der die Aktivitaeten auf dem Schiff ankuendigt) und sah, dass es einen Jom Kippur Gottesdienst auf dem Schiff gab.
Positiv ueberrascht gingen wir alle gemeinsam hin -- wer moegen wohl die anderen Juden auf dieser Kreuzfahrt sein? -- und stellten fest, dass gut ein Dutzend Leute ebenfalls kamen.
Der Rabbiner (siehe Foto) selbst kam aus Israel, und fuer ihn war es die erste Kreuzfahrt. Der Gottesdienst, wie die gesamte Schiffsreise, war "freestyle", aber deshalb auf keinen Fall weniger bedeutsam. Die Teilnehmer eine internationale Familie, wobei die Mehrheit aus New York kam.
Fuer den 68jaehrigen Reformrabbiner war es die erste Kreuzfahrt. "Ich war immer neugierig darauf. Und als das Angebot kam, konnte ich nicht nein sagen." Der in Jerusalem geborene Israeli war eigentlich Cellist - ein Kostprobe gab er seiner internationalen Gemeinde beim Kol Nidre Gottesdienst - und wurde 1983 als Reformrabbiner am Hebrew Union College ordiniert. Er war zwei Jahre in Sydney, Australien, dann von 1990 bis 2001 in England, hauptsaechlich in Newcastle, und dann auch in Mitteleuropa, vor allem in Wien und Prag, taetig. Nun seit vier Jahren im Ruhestand hat er keine Gemeinde, um die er sich regelmaessig kuemmern muss, und erfuellt damit das Kriterium, dass die Norwegian Cruise Line hat. Wie andere Kreuzfahrten auch, bietet sie Geistlichen an, an hohen Feiertagen kostenlos an einer Kreuzfahrt teilzunehmen. Als Gegenleistung bieten sie dann Gottesdienste an. Ein Angebot, das es momentan neben Rosch Haschana, Jom Kippur, Hanukah und Pesach gibt.
Mehrheitlich gehoeren amerikanische Geistliche den Verband pensionierter Rabbiner an, so dass es gut sein kann, dass Moshe Yehudai, so uebrigens sein Name, der erste israelische Rabbiner auf einer NCL Kreuzfahrt war. Die Woche auf See (zu Rosch Haschana war ein anderer Rabbiner auf dem Schiff taetig) hat ihm gut gefallen. "Das wuerde ich auf jeden Fall nochmal machen."
Und so geht es uns auch.