Samstag, 1. November 2008

Kreuzfahrtrabbiner

Wenn man in Amerika arbeitet, hat man ein gravierendes Problem. Man hat nur sehr begrenzte Ferienzeit. Oft nur zwei Wochen. Wenn man jedoch fuer eine juedische Organisation arbeitet, dann hat man zumindest die juedischen Feiertage zusaetzlich frei, so dass man, wenn man geschickt kombiniert, mit ein paar Tagen Urlaub schnell zwei Wochen Ferien zusammen bekommt.
Doch nun kommt das Dilemma: Einerseits will man Urlaub machen, andererseits seine Familie in Deutschland sehen.
Und noch viel dilemmatischer (OK, ich weiss, das Wort gibt es nicht), was macht man, wenn der hoechste Feiertag im Judentum, das Versoehnungsfest Jom Kippur, genau in diese Zeit faellt.
Ich hatte also schon ein schlechtes Gewissen, als wir mit meinen Eltern planten, ueber Jom Kippur eine Mittelmeerkreuzfahrt zu unternehmen, aber andererseits war es die einzige Moeglichkeit, ein wenig zu relaxen und gemeinsam Zeit zu verbringen. Mein urspruenglicher Plan war, auf jeden Fall zu fasten, auch wenn wir wohl keinen Gottesdienst besuchen wuerden.
Aber dann kam alles ganz anders. Lisa schaute in das aktuelle Programmangebot (jeden Tag gibt es einen Newsletter, der die Aktivitaeten auf dem Schiff ankuendigt) und sah, dass es einen Jom Kippur Gottesdienst auf dem Schiff gab.
Positiv ueberrascht gingen wir alle gemeinsam hin -- wer moegen wohl die anderen Juden auf dieser Kreuzfahrt sein? -- und stellten fest, dass gut ein Dutzend Leute ebenfalls kamen.
Der Rabbiner (siehe Foto) selbst kam aus Israel, und fuer ihn war es die erste Kreuzfahrt. Der Gottesdienst, wie die gesamte Schiffsreise, war "freestyle", aber deshalb auf keinen Fall weniger bedeutsam. Die Teilnehmer eine internationale Familie, wobei die Mehrheit aus New York kam.
Fuer den 68jaehrigen Reformrabbiner war es die erste Kreuzfahrt. "Ich war immer neugierig darauf. Und als das Angebot kam, konnte ich nicht nein sagen." Der in Jerusalem geborene Israeli war eigentlich Cellist - ein Kostprobe gab er seiner internationalen Gemeinde beim Kol Nidre Gottesdienst - und wurde 1983 als Reformrabbiner am Hebrew Union College ordiniert. Er war zwei Jahre in Sydney, Australien, dann von 1990 bis 2001 in England, hauptsaechlich in Newcastle, und dann auch in Mitteleuropa, vor allem in Wien und Prag, taetig. Nun seit vier Jahren im Ruhestand hat er keine Gemeinde, um die er sich regelmaessig kuemmern muss, und erfuellt damit das Kriterium, dass die Norwegian Cruise Line hat. Wie andere Kreuzfahrten auch, bietet sie Geistlichen an, an hohen Feiertagen kostenlos an einer Kreuzfahrt teilzunehmen. Als Gegenleistung bieten sie dann Gottesdienste an. Ein Angebot, das es momentan neben Rosch Haschana, Jom Kippur, Hanukah und Pesach gibt.
Mehrheitlich gehoeren amerikanische Geistliche den Verband pensionierter Rabbiner an, so dass es gut sein kann, dass Moshe Yehudai, so uebrigens sein Name, der erste israelische Rabbiner auf einer NCL Kreuzfahrt war. Die Woche auf See (zu Rosch Haschana war ein anderer Rabbiner auf dem Schiff taetig) hat ihm gut gefallen. "Das wuerde ich auf jeden Fall nochmal machen."
Und so geht es uns auch.

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