Freitag, 7. November 2008

Zum 9. November






Am Sonntag jaehrt sich zum 70. Mal der Jahrestag der Reichpogromnacht, die in Amerika unter dem von den Nazis benutzten zynischen Begriff "Kristallnacht" bekannt ist. Fuer deutsche Juden ist der 9. November der inoffizielle Holocaust Gedenktag. Spaetestens nach diesem Pogrom war klar, dass es keine Zukunft fuer Juden in Nazi-Deutschland gab.
Vor Kurzem interviewte ich Margot Friedlander, die sich noch gut an das Pogrom erinnern konnte. Friedlander, die heute in Kew Gardens in Queens lebt, hat eine faszinierende (Ueber-)Lebensgeschichte, verbrachte sie doch ueber ein Jahr in Berlin in verschiedenen Verstecken, und ueberlebte dann das KZ Theresienstadt nur mit Glueck. "Das Schicksal hat es immer gut mit mir gemeint," versichert sie mir.
In Theresienstadt lernte sie ihren Mann kennen, den sie schon fluechtig aus Berlin kannte, nach der Befreiung heiraten beide im KZ und wandern nach Amerika aus.
Adolf Friedlander wollte nie wieder einen Fuss auf deutschen Boden setzen, und auch wenn die beiden weiterhin in deutschen Kreisen verkehren - die meisten ihrer Bekannten in New York sind ebenfalls deutsche Juden, zu Hause liest man deutsche Zeitungen - bleibt er sich dessen treu. Als er vor ueber zehn Jahren stirbt, besucht seine Frau einen Schreibkurs und faengt an, ueber ihre Zeit im Versteck zu schreiben.
Der Filmemacher Thomas Halaczinsky (auf dem Foto mit ihr zu sehen) interessiert sich fuer ihre Geschichte, die nicht die ueblichen Schwarzweissstruktur hat, denn diejenigen, die Margot verstecken, sind nichtjuedische Deutsche, und diejenigen, die sie entdecken und ins KZ schicken, sind Juden. Halaczinsky ueberzeugt Margot Friedlaender fuer den Film zurueck nach Deutschland zu kehren, was der Dokumentation eine weitere Dimension gibt. Eben keine typische Holocaustdokumentation, sondern, wie Halaczinky sagt, ein Film ueber "eine Frau, die nach ihrer Identität sucht." Der Film "Don't Call It Heimweh" erschien 2004, ihre Biographie "Versuche, Dein Leben zu machen" dieses Jahre bei Rowohlt und wird im Maerz mit dem Einhard-Preis ausgezeichnet.
Was noch viel wichtiger ist, als das spaete Interesse an ihrer Lebensgeschichte, ist, dass Margot Friedlaender wieder Bezug zu ihrer ehemaligen Heimat gefunden hat. Als ich mich von ihr in ihrem Apartment verabschiede, gesteht sie ein, dass sie manchmal sogar ueberlegt, wieder nach Deutschland zu ziehen. "Aber ich bin zu alt dafuer. Waere das alles zehn Jahre frueher passiert..."

1 Kommentar:

  1. Margot Friedlander erhält in diesem Jahr den mit 10.000 Euro dotierten Einhard-Preis für ihre Lebenserinnerungen Versuche, dein Leben zu machen. Das Werk der 1921 in Berlin geborenen Jüdin, die während der Nazizeit in der Hauptstadt im Untergrund lebte und nach dem Krieg in die USA auswanderte, sei ein glänzend erzähltes, dramaturgisch gekonnt aufgearbeitetes Stück Lebensgeschichte, teilte die Einhard-Stiftung mit.

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