Montag, 17. November 2008

Taxi Tel Aviv


Wenn ich nach Israel fahre, so ist es meistens beruflich, und das heisst auch, dass ich normalerweise nur in Jerusalem bin und nichts anders vom Land sehen. Als ich vor ein paar Wochen wieder in Israel war, insgesamt fuer vier Tage, beschloss ich, einen kurzen Abstecher nach Tel Aviv zu machen.
Genauer genommen waren es zwei kurze Abstecher, da ich zunaechst vom Flughafen nach Kfar Chabad fuhr (die Geschichte spare ich mir fuer ein anderes Mal), und dann von dort zunaechst mit dem Zug nach Tel Aviv fuhr, um von dort ein Taxi nach Jerusalem zu nehmen.
Meine Taxifahrt von Tel Aviv nach Jerusalem erinnerte mich an "Night on Earth", einen meiner Lieblingsfilme von Jim Jarmusch. Der Taxifahrer, in Indien geboren, jedoch schon als kleines Kind kurz nach der Staatsgruendung nach Israel gekommen, kannte sich offentlichtlich nicht in Jerusalem aus. Von Tel Aviv bis nach Jerusalem ging es schnell. Wir machten ein wenig "small talk" -- ich war bereits der dritte New Yorker, den er an diesem Tag herum kutschiert hatte -- er war vor etwa zehn Jahren in New York, es gefiel ihm dort jedoch nicht so gut, nach Indien ist er nie zurueck gekehrt, warum auch, es gibt genug in Israel zu sehen, und dort ist es bestimmt nur laut und dreckig etc. Als wir in Jerusalem ankamen, nutzte er jede rote Ampel aus, um sein Fenster herunter zu kurbeln und zum Nachbarauto zu schreien, wo denn das Dan Boutique Hotel sei, und jedes Mal schienen die Instruktionen unterschiedlich zu sein. Ueber eine Stunde irrten wir durch Jerusalems Umgebung, einschliesslich der arabischen Doerfer darum herum. Der Blick aus dem Fenster, die spaerlich beleuchteten Siedlungen, all das erinnerte mich an Night on Earth. Filmreif, auch wenn ich froh war, endlich im Hotel anzukommen.
Nach meine Konferenz wollte ich einen halben Tag in Tel Aviv verbringen. Ich glaube, das letzte Mal, dass ich in Tel Aviv war, war zum 50. Jahrestag der Staatsgruendung, als wir mit der einzig offiziellen juedischen Delegation aus Deutschland dorthin kamen und ich eine Rede in der Unabhaengigkeitshalle halten musste. Um Geld zu sparen, wollte ich eigentlich mit dem Bus fahren, doch dann ueberredete mich mein Taxifahrer, der angeblich fuenf Kinder hatte, aber zwei Jahre juenger als ich war, doch mit ihm nach Tel Aviv zu fahren, da ich Zeit sparen wuerde. Ich liess mich ueberzeugen, da mein Flug kurz nach Mitternacht war, und es schon gegen 16 Uhr dunkel wurde. Warum nicht mehr Zeit am hellen Tag in Tel Aviv verbringen?
Als wir auf der Autobahn waren, wurde mir ploetzlich klar, dass mein Taxifahrer Araber war. Vor zehn Jahren, haette mir das keine Sorgen bereitet, aber das war vor zehn Jahren. Meine Paranoia fing an, als er ploetzlich ein sehr lautes Telefongespraech auf arabisch fuehrte, wobei mir jedes zweite Worte wie "alla alakbar" oder so vorkam. "Meine Frau," sagte er laechelnd. Ich nickte. In meinem Kopf hatte ich meine eigene Uebersetzung des Telefonats erstellt, in der er seinen Kollegen mitteilte, dass er einen Selbstmordanschlag in Tel Aviv plane. Und dann hoerte ich da ploetzlich ein Ticken. Ja, da tickte es doch im Kofferraum.
Wir machten ein wenige "small talk". Mein Chauffeur wurde in Jerusalem geboren, der einzig wahren Stadt, wie er sagt. Diese Aussage beruhigt mich auch nicht. Nein, Tel Aviv kenne er nicht gut. Woher ich denn komme? Deutschland. Ja, da war er mal. Wo? Weiss er nicht mehr, jedoch war er dort nur fuehr drei Tage, um in einer Werkstatt was zu lernen. Bombenbau? frage ich mich, doch wage nicht, meine Befuerchtung auszusprechen.
Ob es mir etwas ausmachen wuerde, wenn er das Radio anmache. Nein, kein Problem. Die Musik, arabisch natuerlich, klang zwar schoen, aber wer weiss, was da gesungen wurde? War das die arabische Version von Neonazimusik, die zur Zerstoerung des zionistischen Regimes aufrief und versprach, dass man mit Jungfrauen im Himmel fuer seinen Einsatz belohnt werde?
Ich war beruhigter, als wir in Tel Aviv ankamen. Die Stadt hat sich sehr veraendert. Ueberall sieht man nun Hochhaeuser, das Bauhausviertel um den Boulevard Rothschild ist zum groessten Teil schoen restauriert worden, und Fahrradwege fanden sich auch fast ueberall. Wie schon auf meiner Hinfahrt kannte sich mein Taxifahrer nicht aus. Das Fenster wurde runtergekurbelt, und auf hebraeisch, mit starkem arabischen Akzent, fragte er nach der Adresse meiner Freundin Oranit. Anscheinend war niemand beunruhigt, einen arabischen Taxifahrer hier zu sehen, und so war auch ich beruhigter.
Wir finden die Adresse auf der Allenby recht schnell und ich komme gut an. Alle Sorge umsonst. Er wuenscht mir einen schoenen Tag in Tel Aviv, ich ihm eine gute Rueckfahrt nach Jerusalem. Es ist eben doch etwas anderes, Israel als Medienphaenomen zu kennen, wo der Konflikt allgegenwaertig ist, oder eben den wirklichen Alltag mitzuerleben, in dem Taxifahrer aus Tel Aviv und Jerusalem die jeweils andere Stadt erkunden, auf der Suche nach Adressen und Menschen, die ihnen helfen, den Weg zu finden.

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