Mittwoch, 31. Dezember 2008

Wieder Krieg



Das Foto rechts wurde mir von einem Bekannten geschickt, der kuerzlich in Sderot war.

Nach rund 170 Raketen und Granaten, die allein zwischen dem 19. und 26. Dezember 2008 aus dem Gaza-Streifen abgefeuert wurden, hatte die israelische Regierung nicht nur das Recht sondern die Pflicht ihre Bürger vor weiteren Angriffen wirksam zu schützen.

Ein Protest von internationaler Seite kam damals nicht, so dass Stefan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats, zurecht fragt, ob es Menschenrechte erster und zweiter Klasse gibt. Die Ideologie der Terrororganisation Hamas propagiert das Sterben für Allah als Ideal, das aktiv verfolgt werden muss, so dass Zivilisten als menschliche Schutzschilde eingesetzt werden, was den Kampf gegen Terroristen nicht einfacher macht.

Ironischerweise scheint als einziger die Hamas von der jetzigen Gewalteskalation zu profitieren, da man sie nun als Gesprächspartner im Westen wieder ernst nehmen wird, schliesslich ist man ja nicht mit der "israelischen Agression" einverstanden.

Die drei bekanntesten israelischen Autoren Amos Oz, A.B. Yehoshua und David Grossman haben sich alle kritisch mit der Gewalteskalation auseinander gesetzt.

Und so traurig die Gewalt im Nahen Osten wieder ist, so bleibt doch die Frage, was man haette anders machen koennen, angesichts der permanenten Raketenbeschuesse aus Gaza.

Sonntag, 28. Dezember 2008

Der achte Tag


Zum Abschluss von Chanukah werden wir heute die weltgroesste Chanukah Menorah sehen, die traditionell von Chabad (von wem auch sonst) auf der Fifth Avenue vor dem ehemaligen Plaza Hotel aufgestellt wird.
Auch dieses Jahr habe ich wieder zahlreiche Chanukahlieder in meiner Inbox gefunden, und drei davon will ich hier mal erwaehnen. Zum einen gibt es nun eine deutsche Version von Adam Sandlers Chanukah Song, ganz witzig gemacht, obwohl ich eingestehen muss, dass ich nicht alle Leute in dem Video kenne (bin wohl zu lange schon aus Deutschland weg). Dann ist da noch ein interessantes Album eines eigentlich unbekannten Saengers, das Songs in the Key of Hanukkah heisst, doch da der Bruder von Erran Baron Cohen der Erfinder von Kultfiguren wie Ali G und Borat ist, hat dieses Album wohl mehr Aufmerksamkeit bekommen, als unter normalen Umstaenden. Trotzdem hoerenswert.
Zum anderen ist da Pass The Candle, ein Video, das von Freunden von Freunden von mir hier in New York produziert wurde. Das Ganze ohne grosses Budget. Nur mit der Hilfe des Internets lud man Menschen weltweit an der Aktion teilzunehmen. Wirklich kreativ. Seht das Resultat hier. Ich denke, wir werden von denen noch einiges hoeren.
Der achte Tag ist nun da. Chanukah geht zu Ende, aber keine Sorge, dieses Blog geht weiter.

Freitag, 26. Dezember 2008

Blondis Weltreise



Asaf Zur ist ein Weltreisender. Nach seinem Tod war er schon auf den Osterinseln, dem Gipfel des Kilimandscharo und in Peking, oder zumindest sein Foto.

Nach seinem Tod?!

Ja, im März 2003 kam der damals Siebzehnjährige Asaf, der von seinen Freunden "Blondi" genannt wurde, bei einem Selbstmordattentat ums Leben. Nach der Schule stieg er gemeinsam mit anderen jungen Leuten in einen Bus. Unter den Passagieren war auch ein Palästinenser, der unter seinem T-Shirt einen 17 Kilogramm schweren Sprengstoffgürtel trug. Er sprengte sich in die Luft und riss 17 Menschen mit in den Tod. Asafs Ueberreste liegen nun auf einem Friedhof in Haifa, der ausschließlich für Terror-Opfer ist.


Sein Vater Jossi hat im Juni 2008, fuenf Jahre nach dem Terroranschlag, eine Internetaktion gestartet, um seinen reiselustigen Sohn posthum durch die ganze Welt zu schicken, und auf die Tragik des Terrors aufmerksam zu machen. "Weil Asaf nicht mehr um die Welt reisen kann, wollte ich die Welt zu ihm bringen", sagt Jossi.

Auf der Webseite laed Jossi Menschen aus aller Welt ein, ein Foto seines Sohnes, das man auf der Website runterladen kann, mit auf ihre Reisen zunehmen. An ihrem Urlaubsziel sollen sie dann ein Bild von sich und dem Foto machen lassen und es an ihn schicken.

Die Reaktionen auf die Aktion waren überwältigend. Im vergangenen halben Jahr hat der Vater des Verstorbenen 860 Briefe aus 86 Ländern bekommen. "Wenn ich könnte, würde ich dieses Foto nehmen und jedem einzelnen Menschen sagen: Das ist Asaf, mein Sohn. Er war ein junger Mann und er ist für nichts gestorben", sagt er in einem Video in der Onlineausgabe des Magazins "Stern".

Die Briefe kommen aus der ganzen Welt. Bisher habe er nur positive Zuschriften bekommen. Sogar einige Briefe aus islamischen Staaten seien dabei gewesen. "Ich hoffe sehr, dass ich noch mehr Reaktionen aus der arabischen Welt bekomme. Das wäre doch eine tolle Sache, wenn sein Foto nach seinem Tod da zu sehen wäre, wo Assaf lebendig als Jude niemals hin konnte."

Sonntag, 21. Dezember 2008

Happy Hanukah


Es ist wieder soweit. Chanukah, das Lichterfest, in dem wir uns an das Wunder im Tempel erinnern, und gleichzeitig jegliche religioese Unterdrueckung verurteilen, beginnt heute abend.
Es gibt wieder viele nette Dinge im Web, mit denen wir Chanukah begehen koennen. Da ist zum einen der YouTube Song "All I want this Christmas is Jews" (nicht zu verwechseln mit dem Song hier), und dann natuerlich der Klassiker von Adam Sandler, und dann auch ein Chanukah Rap.
Lisa schreibt in ihrer JTA Kolumne ueber die Geschenkefrage. Durch die Kommerzialisierung von Weihnachten wird in Amerika auch Chanukah immer mehr zum Geschenkefest (einige geben ihren Kindern sogar acht Geschenke, jeden Abend eines). Geschenke muessen nicht grundsaetzlich schlecht sein (wer behauptet das schon), aber das wichtigste, ist, dass man mit Freunden und Familie zusammen ist.
In diesem Sinne also: Frohes Chanukah.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Kein Geburtstagskuchen fuer Adolf Hitler


Die Associated Press berichtet ueber einen seltsamen Fall von Diskriminierung. Heath und Deborah Campbell wollten einen Geburtstagskuchen fuer ihren Sohn bestellen, doch die Angestellten weigerten sich, den Namen des Dreijaehrigen auf den Kuchen zu schreiben.
Klingt seltsam, erklaert sich aber, wenn man den Namen des Kindes weiss: Adolf Hitler Campbell. Die Campbells (siehe Foto) haben noch zwei weitere Kinder, JoyceLynn Aryan Nation Campbell, die in ein paar Monaten zwei wird, und Honszlynn Hinler Jeannie Campbell (der Name eine Hommage an Heinrich Himmler), die im April ihren ersten Geburtstag feiert.
Die Campbells leben in Hunterdon County, New Jersey, in einem Haus, das angeblich mit Naziflaggen und Hakenkreuzen dekoriert ist. Hoffen wir, dass klein Adolf trotz dieser Eltern eine Chance hat, normal zu sein.

Dienstag, 16. Dezember 2008

New Yorks meistgehasster Mann

Ich war gestern in Elie Wiesels Buero, wo ich einen Freund assistierte, der eine kurze Videomessage von Herrn Wiesel fuer ein juedisches Altersheim in Buenos Aires aufnahm. Auch wenn der Nobelpreistraeger freundlich war, so war die Stimmung in der Elie Wiesel Foundation alles andere als gut. Angespannt ist vielleicht das beste Wort. Der Grund, in den Worten der gestrigen Titelseite der New York Post: "New Yorks Meistgehasster Mann".

Der nett aussehende Siebzigjaehrige auf dem Foto ist Bernie Madoff, und er hat die juedische Welt in die groesste Krise der Nachkriegsgeschichte gebracht hat.

Nach Angaben der Jerusalem Post hat Madoff etwa 600 Millionen Dollar von juedischen Hilfsorganisationen "verloren" und insgesamt mehr als 50 Milliarden Dollar von hauptsaechlich juedischen Investoren. Man geht davon aus, dass dies der groesste Betrug in der amerikanischen Finanzgeschichte ist. Dreimal groesser als damals Enron.

Hier nur ein paar Beispiele: Yeshiva University hat ueber hundert Millionen Dollar in dem Betrug verloren, Ramaz und SAR Academy, zwei weitere juedische Bildungsanstalten, haben ebenfalls Millionenverluste, neben Elie Wiesels Stiftung hat auch Steven Spielsbergs Foundation Millionen eine ungewisse Zukunft, der American Jewish Congress wird vielleicht komplett untergehen, ein juedisches Krankenhaus hat die gesamten Rentengelder ihrer Angestellten verloren, und private Stiftungen wie etwa die Carl and Ruth Shapiro Family Foundation sogar 145 Millionen Dollar. Und dies sind nur die Institutionen. Die Zahl der Privatpersonen, die wichtige amerikanisch-juedischen Philanthropen sind, kann momentan keiner Abschaetzen.

Madoff galt in der amerikanischen Finanzwelt als Genie. Er versprach einen 10% Zinssatz fuer Leute, die mit ihm investierten, doch es war gar nicht so einfach, zu Madoff zu gelangen. Durch die vielen Absagen, die er erteilte, machte der ehemalige NASDAQ Boss sich nur interessanter und jeder wollte zum auserlesenen Kreis gehoeren. Dass es sich um eine Finanzpyramide handelte, die wie ein Kartenhaus zusammen stuerzen wuerde, hatte anscheinend niemand erwartet, zumal ja gute Namen zu Madoffs Portfolio gehoerten. Wenn Elie Wiesel und Steven Spielberg bei Madoff investieren, dann werden die schon wissen, was sie tun.

Madoff verkehrte hauptsaechlich in exklusiven juedischen Kreisen, und man vertraute ihm, da er ja "einer von uns" war.

Da amerikanisch-juedische Organisationen vor allem von Philanthropie, also Privatspenden, leben, ist der Effekt dieses finanziellen Tsunami noch nicht abzusehen. Haaretz beschreibt den Skandal als etwas, das sich die schlimmsten Antisemiten nicht einmal ertraeumen konnten. (Und viele Kommentare in Onlineforen unterstreichen, dass 'Schadenfreude' Teil des amerikanischen Wortschatzes ist.)

Nicht nur Amerika wird davon betroffen sein. Einige israelische Firmen haben ebenfalls bei Madoff investiert, und weltweit sind viele Wohlfahrtsverbaende von amerikanischen Spenden abhaengig. Zwei Beispiele: Die Chais Family Foundation, die ueber 250 Millionen Dollar verloren hat und nun geschlossen wurde, half Tausenden von juedischen Rentnern in der ehemaligen Sowjetunion mit Essenspaketen und medizinischer Versorgung. Die Jewish Federation of Los Angeles, der Hauptsponsor fuer jegliche juedische Programme im Baltikum, angefangen von Programmen fuer hilfsbeduerftige Familien bis hin zu Ferienlagern, hat Millionen im Skandal verloren und es ist nicht sicher, ob sie weiterhin Gelder fuer Programme in Europa spenden wird.

Nach der Immobilien- und Wall Street Krise und dem rapiden Verlust des US Dollars (im Sommer war der Umtauschkurs sogar 1.62 zum Euro) hatte man gedacht, es haette die juedische Welt Amerikas nicht schlimmer treffen koennen. Man hat sich geirrt. Der nachhaltige Effekt, nicht nur fuer juedische Hilfsprojekte weltweit, ist noch nicht abzusehen, ebensowenig der nachhaltige psychologische Effekt durch den Vertrauensmissbrauch.

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Quo vadis, aufbau?





Der Aufbau feiert seinen 75. Geburtstag. Auf der Website zur neuen Ausgabe heisst es: "Der aufbau ist vor 75 Jahren aus den Bedürfnissen von Menschen im Würgegriff einer historischen Katastrophe entstanden. Indem sie sich eine deutschsprachige Zeitung schufen, hielten die deutsch-jüdischen Flüchtlinge in New York an ihrer kulturellen Heimat in Zeiten der Heimatlosigkeit fest. Gleichzeitig verstand sich der aufbau ganz explizit als Instrument, das seinen Lesern bei der Beheimatung in den USA helfen sollte."


Die Jubilaeumsausgabe hat interessante Beitraege aus den letzten 75 Jahren, darunter einen Beitrag zur Staatsgruendung Israels, ein Nachruf fuer den Fotografen Robert Capa, ein Interview mit Fritz Stern, und Essays von Franz Werfel und Thomas Mann. Ein Blick zurueck in einer glorreiche Vergangenheit.


Als ich 2002 in New York war, traf ich mich auch mit Leuten vom Aufbau. Ich wurde dort interviewt, aber soweit ich weiss, erschien die Story nie. Es war ein uriges Buero, irgendwie sehr New York, mit ein paar jungen deutschen Journalisten, von denen keiner juedisch war, und ein paar jungen amerikanischen Journalisten, von denen keiner wirklich deutsch beherrschte. Oder zumindest war das damals mein Eindruck.


Ich bereue noch heute, dass ich meine Kamera nicht dabei hatte, um Fotos vom Aufbau zu machen.


Zum 70. Geburtstag fand mein Name dann seinen Weg in den Aufbau. Ein amerikanischer Journalist, der damals mit einer Freundin von Lisa befreundet war, und mit dem wir Schlittschuhlaufen gingen, erzaehlte mir von seinem Aufenthalt in Berlin und ein paar Kommentare, die ich ihm am Eislaufring gab, fanden ihren Weg in seine Story, die in der Jubilaeumsausgabe des Aufbau erschien. Vielleicht nicht der professionellste Journalismus, aber das ist eine andere Geschichte. (Ich fand nur zufaellig heraus, das ich als "junger Jude aus Muenster" zitiert wurde.)


Die Jubilaeumsausgabe sollte die letzte Aufbau Ausgabe als Zeitung sein. Die Leserschaft war einfach nicht mehr da. Der Aufbau wurde verkauft und wurde Teil der Juedischen Medien AG in Basel. Aus der Wochenzeitung wurde ein Monatsmagazin.


Letzte Woche wurde bekannt, dass die Basler Mediengruppe, die bisher zusammen mit der Serenada Verlag AG zu gleichen Teilen Miteigentümerin der JM Jüdische Medien AG war, ihr Engagement beendet. Der Serenada Verlag von Susanne Braginsky, welcher in den vergangenen Jahren die Herausgabe der jüdischen Zeitschriften tachles, revue juive und aufbau inhaltlich und finanziell wesentlich gefördert hat, will sich nun auf die Herausgabe des Aufbau konzentrieren, der künftig im Serenada Verlag erscheinen soll.


Quo vadis, Aufbau? Zum 80. Jubilaeum werden wir das wohl wissen.

Montag, 1. Dezember 2008

Eine Tragoedie fuer die gesamte Menschheit

Crown Heights in Brooklyn und Jackson Heights in Queens haben normalerweise nicht viel gemeinsam. Das eine ist eine vorwiegend chassidische Nachbarschaft am Eastern Parkway, das andere eine vorwiegend indische und pakistanische Nachbarschaft, die mit der U-Bahn Nummer 7 erreichbar ist. Doch dieses Wochenende verband beide Nachbarschaften die Tragoedie in Mumbai.

Kurz vor Schabbatbeginn kam die Mitteilung, dass Rabbi Gavriel Holtzberg und seine Frau Rivka, sowie Rabbi Leibish Teitelbaum, der die Kaschrut im Chabadhaus beaufsichtigte, waehrend der Terrorattentate ermordet wurden. Der 29jaehrige war vor fuenf Jahren, kurz nach seiner Hochzeit, mit seiner ein Jahr juengeren Frau nach Indien aufgebrochen, um dort ein Chabadhaus zu gruenden. Ihr Sohn Moshe, der am Samstag zwei Jahre alt wurde, wurde von seinen Grosseltern aus Mumbai abgeholt.

"Das ist irgendwie wie damals in Muenchen," meint Victor Wishna, mit dem ich mich am Freitag treffe, als gerade die Nachricht auf CNN erscheint. "Die Israelis hatten ihre Hilfe angeboten, aber die indischen Sicherheitskraefte haben aus falscher Eitelkeit jegliche Hilfe abgelehnt, und nun sind die Geiseln tot."

Ein paar Stunden spaeter hielt Chabad im Juedischen Kindermuseum von Crown Heights eine Pressekonferenz ab. Umgeben von vielen Pressevertretern und Kameraleuten versuchte man kurz vor Schabbatbeginn nuechtern ein paar Statements abzugeben, aber die Emotionen kamen sichtlich durch, so etwa bei Rabbi Moshe Kotlarsky, der die Traenen kaum zurueck halten konnte. "Er war ein sehr, sehr besonderer Mensch. Wir werden ihn sehr vermissen."

"Es ist eine schreckliche Tragoedie," meinte auch Menachem Frietfertig, ein Einwohner von Crown Heights, als er von Journalisten des lokalen Fernsehsenders NY1 auf der Strasse angesprochen wurde. "Es ist eine Tragoedie fuer die ganze Menschheit, nicht nur fuer die Familie, nicht nur fuer die juedische Gemeinde," erklaerte er.

Am Abend gingen wir in Jackson Heights Essen. Die normalerweise sehr beschaeftigte Nachbarschaft war ruhiger als sonst. In den Cafes und Restaurants liefen die Fernseher. CNN brachte die neuesten Meldungen aus Mumbai. Die Zahl der Todesopfer war mittlerweile auf 174 gestiegen.

Ich musste wieder an die Worte von Menachem Frietfertig denken. Ja, es ist eine Tragoedie fuer die ganze Menschheit.

Donnerstag, 27. November 2008

Die Armee des Messias

Die schrecklichen Terroranschlaege in Mumbai kamen als grosser Schock. Gebannt sass ich vor dem Fernseher, wechselte zwischen CNN International und BBC World News hin und her, als ploetzlich ein Kommentator erwaehnte, dass, auch wenn bisher nicht erwaehnt, auch ein orthodoxes juedisches Zentrum angegriffen wurde.
Sofort war mir klar, dass es sich um ein Chabadhaus handeln muesse. Meine Vermutung wurde ein paar Minuten spaeter bestaetigt. Online fand ich dann spaeter mehr Informationen, so etwa dass das Kindermaedchen mit dem zweijaehrigen Sohn aus dem Haus rannte und so das Kind in Sicherheit brachte (berichtet in Haaretz) und spaeter, dass die Aktion im Chabadhaus zwar beendet sei, aber der Leiter des Zentrums, seine Frau und weitere Geiseln bisher noch vermisst werden (berichtet in der Jerusalem Post). In einem Videoclip auf der Webseite der Jerusalem Post erwaehnt ein Bekannter von Rabbi Holtzberg, dass alle Lubawitscher eine grosse Familie seien, und man daher sehr besorgt um den Chabad-Scheliach in Mumbai sei.
Das Phaenomen von Chabad-Schluchim (so der Plural von Scheliach), so der hebraeische Name fuer die Emissare oder - da es kein besseres Wort im Deutschen gibt, auch wenn es nicht ganz treffend ist - "Missionare", ist einzigartig in der Welt. Es geht diesen Schluchim nicht darum, Menschen zum Judentum zu missionieren, sondern Juden die Moeglichkeit zu geben, juedisch zu leben. Im Mumbai kommen zum Chabadhaus viele Israelis, von Rucksacktouristen bis hin zu Geschaeftsleuten, und auch an anderen Orten der Welt kann man Gesandte der Chabadbewegung finden, die einem eine juedische Atmosphaere geben.
Weltweit gibt es mehr als Tausend solcher Schluchim, die sich einmal im Jahr in Crown Heights, Brooklyn, dem Zentrum der Chabadbewegung, treffen (siehe Foto vom letztjaehrigen Treffen). Ich habe einmal gelesen, dass sie die Armee des Rebbe seien (gemeint, Menachem Mendel Schneerson, den viele Anhaenger als den Messias sahen und sehen). Und auch wenn diese Armee keine Kriege fuehrt, so ist sind ist ein Scheliach doch ein beeindruckender Soldat, da er alles aufgibt, in ein fremdes Land zieht, und dann dort ein Zentrum gruendet, das er selbst finanzieren muss (oftmals ausschliesslich durch Spenden). Keine einfache Aufgabe, doch der Glaube an die Wichtigkeit dieses Unternehmens gibt ihnen Staerke.
Als ich diesen Morgen auf der CNN Webseite nach Neuigkeiten ueber die Situation in Mumbai suche, lese ich, dass Rabbi Holtzberg und seine Frau, sowie die anderen Geiseln nach wie vor vermisst werden. Hoffen wir, dass sie bald bei bester Gesundheit gefunden werden.
Schabbat Schalom.

Dienstag, 25. November 2008

Mexikanische Falafel

Denkt man an mexikanisches Essen, dann denkt man wohl an Burritos, Mole, Salsa Picante und andere typischen Delikatessen, doch in der multikulturellen Ciudad de Mexico scheint momentan etwas ganz anderes auf der Speisekarte zu sein: Falafel.
Viele sagen, der neue Falafel-Boom sei vor allem einem Mann zu verdanken: Nathaniel Goldstock. Sein Imbiss "Falafel Benzona", der sich in den chicken Stadtteilen von Condesa und Polanco fand, wurde vom Chilango Magazin mit vier Sternen ausgezeichnet, und das DF Magazin listete "Falafel Benzona" als eines von Mexikos besten Restaurants mit Speisen unter 150 Mexikanischen Pesos, was etwa 8 Euro entspricht.
Goldstock ist uebrigens mehr als nur ein Falafelkoch. Der gebuertige New Yorker kommt aus einer chassidischen Familie und hat sich vollkommen von den Lubawitschern getrennt. Die Dokumentation "Brooklyn Exile", an der er beteiligt war, beschaeftigt sich mit dem Phaenomen von Ex-Chassiden und deren Versuche, ein normales Leben zu fuehren. Goldstock ist auch ein sehr begabter Portraitfotograf und genialer Retouchierer.
Falafel Benzona war uebrigens sehr beliebt bei israelischen Rucksacktouristen, die wohl auch der Name anzog. Benzona heisst Sohn einer Hure, und wenn man sich das Logo ganz genau anschaut, stellt man fest, dass es sich nicht um praekolumbianische Wandmalerei handelt, sondern dort hebraeische Buchstaben "versteckt" sind, die eben das Wort "Ben Zona" schreiben.

Freitag, 21. November 2008

Nomen Est Omen


Vor einer Woche feierten wir den ersten Geburtstag von unserem Sohn Leon. Heute startet JTA, die Jewish Telegraphic Agency, eine neue Kolumne ueber juedische Identitaet und Familie. Die Kolumnistin ist Lisa, und der erste Beitrag dreht sich um die Namenssuche fuer unseren Sohn.
Die Frage nach Identitaet moderner, nicht unbedingt religioeser juedischer Familien scheint sehr en vogue zu sein. In Deutschland gibt es den Familienmentsch, in den USA bis vor Kurzem Jewish Living, das jedoch auf finanziellen Gruenden schliessen musste.
In ihrer Kolumne wird Lisa sich also mit unseren alltaeglichen Fragen auseinandersetzen, die wir als junge, juedische Eltern haben, und die wahrscheinlich universeller sind, als mancher annimmt.

Donnerstag, 20. November 2008

Die letzte Synagoge des East Village

Vor ein paar Wochen schrieb ich fuer Tachles eine Story ueber die letzte Synagoge des East Village. Das Gebaeude soll verkauft werden, doch dieser Verkauf (und der drohende Abriss) hat weiten Protest ausgeloest. Die Geschichte kann hier nachgelesen werden.
Interessanterweise gibt es jetzt neue Entwicklungen. Eine Gruppe von Juden im East Village (oder noerdlichen Teil der Lower East Side, je nachdem wie man die nicht klar definierten Grenzen zieht) hat angefangen, junge (orthodoxe) Juden aus anderen Gegenden New Yorks in ihre Gegend zu locken. Wie? In dem man bei der Wohnungssuche hilft. Die Website http://www.jewishlowereastside.org/ bringt einen zu der neuen Website, die jungen Menschen helfen soll, sich in diesem Teil von Manhattan niederzulassen, und dort die leeren Synagogen zu fuellen. Und es scheint erfolgreich zu sein. Der Grund, so erklaert mir ein junges Paar, das vor kurzem eine Wohnung suedlich von Houston Street fand: "Es hat eine familiaere Atmosphaere, die man nur selten in New York findet."

Montag, 17. November 2008

Taxi Tel Aviv


Wenn ich nach Israel fahre, so ist es meistens beruflich, und das heisst auch, dass ich normalerweise nur in Jerusalem bin und nichts anders vom Land sehen. Als ich vor ein paar Wochen wieder in Israel war, insgesamt fuer vier Tage, beschloss ich, einen kurzen Abstecher nach Tel Aviv zu machen.
Genauer genommen waren es zwei kurze Abstecher, da ich zunaechst vom Flughafen nach Kfar Chabad fuhr (die Geschichte spare ich mir fuer ein anderes Mal), und dann von dort zunaechst mit dem Zug nach Tel Aviv fuhr, um von dort ein Taxi nach Jerusalem zu nehmen.
Meine Taxifahrt von Tel Aviv nach Jerusalem erinnerte mich an "Night on Earth", einen meiner Lieblingsfilme von Jim Jarmusch. Der Taxifahrer, in Indien geboren, jedoch schon als kleines Kind kurz nach der Staatsgruendung nach Israel gekommen, kannte sich offentlichtlich nicht in Jerusalem aus. Von Tel Aviv bis nach Jerusalem ging es schnell. Wir machten ein wenig "small talk" -- ich war bereits der dritte New Yorker, den er an diesem Tag herum kutschiert hatte -- er war vor etwa zehn Jahren in New York, es gefiel ihm dort jedoch nicht so gut, nach Indien ist er nie zurueck gekehrt, warum auch, es gibt genug in Israel zu sehen, und dort ist es bestimmt nur laut und dreckig etc. Als wir in Jerusalem ankamen, nutzte er jede rote Ampel aus, um sein Fenster herunter zu kurbeln und zum Nachbarauto zu schreien, wo denn das Dan Boutique Hotel sei, und jedes Mal schienen die Instruktionen unterschiedlich zu sein. Ueber eine Stunde irrten wir durch Jerusalems Umgebung, einschliesslich der arabischen Doerfer darum herum. Der Blick aus dem Fenster, die spaerlich beleuchteten Siedlungen, all das erinnerte mich an Night on Earth. Filmreif, auch wenn ich froh war, endlich im Hotel anzukommen.
Nach meine Konferenz wollte ich einen halben Tag in Tel Aviv verbringen. Ich glaube, das letzte Mal, dass ich in Tel Aviv war, war zum 50. Jahrestag der Staatsgruendung, als wir mit der einzig offiziellen juedischen Delegation aus Deutschland dorthin kamen und ich eine Rede in der Unabhaengigkeitshalle halten musste. Um Geld zu sparen, wollte ich eigentlich mit dem Bus fahren, doch dann ueberredete mich mein Taxifahrer, der angeblich fuenf Kinder hatte, aber zwei Jahre juenger als ich war, doch mit ihm nach Tel Aviv zu fahren, da ich Zeit sparen wuerde. Ich liess mich ueberzeugen, da mein Flug kurz nach Mitternacht war, und es schon gegen 16 Uhr dunkel wurde. Warum nicht mehr Zeit am hellen Tag in Tel Aviv verbringen?
Als wir auf der Autobahn waren, wurde mir ploetzlich klar, dass mein Taxifahrer Araber war. Vor zehn Jahren, haette mir das keine Sorgen bereitet, aber das war vor zehn Jahren. Meine Paranoia fing an, als er ploetzlich ein sehr lautes Telefongespraech auf arabisch fuehrte, wobei mir jedes zweite Worte wie "alla alakbar" oder so vorkam. "Meine Frau," sagte er laechelnd. Ich nickte. In meinem Kopf hatte ich meine eigene Uebersetzung des Telefonats erstellt, in der er seinen Kollegen mitteilte, dass er einen Selbstmordanschlag in Tel Aviv plane. Und dann hoerte ich da ploetzlich ein Ticken. Ja, da tickte es doch im Kofferraum.
Wir machten ein wenige "small talk". Mein Chauffeur wurde in Jerusalem geboren, der einzig wahren Stadt, wie er sagt. Diese Aussage beruhigt mich auch nicht. Nein, Tel Aviv kenne er nicht gut. Woher ich denn komme? Deutschland. Ja, da war er mal. Wo? Weiss er nicht mehr, jedoch war er dort nur fuehr drei Tage, um in einer Werkstatt was zu lernen. Bombenbau? frage ich mich, doch wage nicht, meine Befuerchtung auszusprechen.
Ob es mir etwas ausmachen wuerde, wenn er das Radio anmache. Nein, kein Problem. Die Musik, arabisch natuerlich, klang zwar schoen, aber wer weiss, was da gesungen wurde? War das die arabische Version von Neonazimusik, die zur Zerstoerung des zionistischen Regimes aufrief und versprach, dass man mit Jungfrauen im Himmel fuer seinen Einsatz belohnt werde?
Ich war beruhigter, als wir in Tel Aviv ankamen. Die Stadt hat sich sehr veraendert. Ueberall sieht man nun Hochhaeuser, das Bauhausviertel um den Boulevard Rothschild ist zum groessten Teil schoen restauriert worden, und Fahrradwege fanden sich auch fast ueberall. Wie schon auf meiner Hinfahrt kannte sich mein Taxifahrer nicht aus. Das Fenster wurde runtergekurbelt, und auf hebraeisch, mit starkem arabischen Akzent, fragte er nach der Adresse meiner Freundin Oranit. Anscheinend war niemand beunruhigt, einen arabischen Taxifahrer hier zu sehen, und so war auch ich beruhigter.
Wir finden die Adresse auf der Allenby recht schnell und ich komme gut an. Alle Sorge umsonst. Er wuenscht mir einen schoenen Tag in Tel Aviv, ich ihm eine gute Rueckfahrt nach Jerusalem. Es ist eben doch etwas anderes, Israel als Medienphaenomen zu kennen, wo der Konflikt allgegenwaertig ist, oder eben den wirklichen Alltag mitzuerleben, in dem Taxifahrer aus Tel Aviv und Jerusalem die jeweils andere Stadt erkunden, auf der Suche nach Adressen und Menschen, die ihnen helfen, den Weg zu finden.

Mittwoch, 12. November 2008

Barcelona



Im Jahr 1391, also mehr als hundert Jahre bevor die Juden aus Spanien vertrieben wurden, wurde bereits die Sinagoga Mayor, die grosse Synagoge von Barcelona in einem Pogrom zerstoert. Erst im 20. Jahrhundert, also mehr als 500 Jahre spaeter, gruendete sich wieder eine juedische Gemeinde in Barcelona, und erst vor etwas mehr als zehn Jahren wurde die Synagoge wiederentdeckt.
Der Historiker Jaume Riera y Sans wies 1987 den Standpunkt der Synagoge nach. Ein eher unscheinbares Gebaeude in der Call, dem ehemaligen juedischen Viertel, das im Keller eine Bar beheimatete und darueber enge, dunkle Apartments, wie sie sehr typisch fuer das mittelalterliche Zentrum der Stadt sind. Als das Gebaeude 1995 zum Verkauf angeboten wurde, erwarb es Miguel Iaffa, ein Mitglied der heutigen juedischen Gemeinde von Barcelona.
Iaffa hoffte, in dem Gebaeude Spuren der ehemaligen Synagoge zu finden. Er tat sich mit Riera zusammen, und 1999 begann man mit den Ausgrabungen. Heute, zehn Jahre spaeter, dokumentiert eine Website die Geschichte des Ortes, der bereits seit Jahren eine Touristenattraktion geworden ist, auch wenn dort nicht allzu viel zu sehen ist.
Es gibt noch drei weitere Synagogen, die sich ebenfalls in dem Viertel befanden und heute ebenfalls fuer andere Zwecke benutzt werden, doch aus Kostengruenden, so erklaert einer der jungen Israelis, der die Tickets in der Sinagoga Mayor verkauft und Touristen herum fuehrt, werde man diese wohl nicht erwerben. "Die Eigentuemer haben gesehen, wie viele Touristen zu diesen Ort kommen und verlangen nun uebertriebene Preise fuer ihre Gebaeude."

Freitag, 7. November 2008

Zum 9. November






Am Sonntag jaehrt sich zum 70. Mal der Jahrestag der Reichpogromnacht, die in Amerika unter dem von den Nazis benutzten zynischen Begriff "Kristallnacht" bekannt ist. Fuer deutsche Juden ist der 9. November der inoffizielle Holocaust Gedenktag. Spaetestens nach diesem Pogrom war klar, dass es keine Zukunft fuer Juden in Nazi-Deutschland gab.
Vor Kurzem interviewte ich Margot Friedlander, die sich noch gut an das Pogrom erinnern konnte. Friedlander, die heute in Kew Gardens in Queens lebt, hat eine faszinierende (Ueber-)Lebensgeschichte, verbrachte sie doch ueber ein Jahr in Berlin in verschiedenen Verstecken, und ueberlebte dann das KZ Theresienstadt nur mit Glueck. "Das Schicksal hat es immer gut mit mir gemeint," versichert sie mir.
In Theresienstadt lernte sie ihren Mann kennen, den sie schon fluechtig aus Berlin kannte, nach der Befreiung heiraten beide im KZ und wandern nach Amerika aus.
Adolf Friedlander wollte nie wieder einen Fuss auf deutschen Boden setzen, und auch wenn die beiden weiterhin in deutschen Kreisen verkehren - die meisten ihrer Bekannten in New York sind ebenfalls deutsche Juden, zu Hause liest man deutsche Zeitungen - bleibt er sich dessen treu. Als er vor ueber zehn Jahren stirbt, besucht seine Frau einen Schreibkurs und faengt an, ueber ihre Zeit im Versteck zu schreiben.
Der Filmemacher Thomas Halaczinsky (auf dem Foto mit ihr zu sehen) interessiert sich fuer ihre Geschichte, die nicht die ueblichen Schwarzweissstruktur hat, denn diejenigen, die Margot verstecken, sind nichtjuedische Deutsche, und diejenigen, die sie entdecken und ins KZ schicken, sind Juden. Halaczinsky ueberzeugt Margot Friedlaender fuer den Film zurueck nach Deutschland zu kehren, was der Dokumentation eine weitere Dimension gibt. Eben keine typische Holocaustdokumentation, sondern, wie Halaczinky sagt, ein Film ueber "eine Frau, die nach ihrer Identität sucht." Der Film "Don't Call It Heimweh" erschien 2004, ihre Biographie "Versuche, Dein Leben zu machen" dieses Jahre bei Rowohlt und wird im Maerz mit dem Einhard-Preis ausgezeichnet.
Was noch viel wichtiger ist, als das spaete Interesse an ihrer Lebensgeschichte, ist, dass Margot Friedlaender wieder Bezug zu ihrer ehemaligen Heimat gefunden hat. Als ich mich von ihr in ihrem Apartment verabschiede, gesteht sie ein, dass sie manchmal sogar ueberlegt, wieder nach Deutschland zu ziehen. "Aber ich bin zu alt dafuer. Waere das alles zehn Jahre frueher passiert..."

Mittwoch, 5. November 2008

Yes, we can!



Vor zwei Jahren traf ich Barak Obama das erste Mal. Der Senator aus Chicago sprach damals auf der Jahreshauptversammlung des American Jewish Committee (siehe Foto), das seinen 100. Geburtstag feierte. Wir sprachen anschliessend ein wenig, und ich fand ihn sehr sympathisch.

Ein Jahr spaeter begegnete ich Barak Obama auf dem Kongress des American Israeli Public Affairs Committee (AIPAC), und auch hier hatte ich die Chance, kurz mit ihm zu sprechen.

Gestern machte Obama Geschichte, als er zum ersten afroamerikanischen Praesidenten der USA gewaehlt wurde. Und dies mit einer ueberzeugenden Mehrheit.

Obamas Wahlkampf war beeindruckend. Noch nie in der Geschichte der USA wurden so viele junge Waehler mobilisiert. Noch nie wurden so viele kleine Wahlspenden von einem Kandidaten eingesammelt. Noch nie wurde das Internet so geschickt fuer einen Wahlkampf eingesetzt.

Im Vorfeld der Wahlen wurde vor allem im Ausland darueber spekuliert, ob Amerika "reif" sei fuer einen schwarzen Praesidenten. Skeptiker monierten, dass viele in den Umfragen nicht ehrlich seien, da niemand zugeben wolle, dass er oder sie nicht fuer einen Schwarzen seine/ihre Stimme abgeben wolle.

Dem war nicht so. Obama mobilisierte die Massen. Der Sohn eines afrikanischen Vaters und einer weissen, amerikanischen Mutter, der in Hawaii aufwuchs, scheint die Wunden der Vergangenheit zu heilen.

Die Wahl war eine Abrechnung mit acht Jahren Bush-Regierung, die das Land im Chaos hinterlaesst. Die Wahlen waren aber vor allem auch ein Zeichen der Hoffnung.

Es ist ein stolzer Moment fuer Amerikaner, die unter Beweis stellen, dass das Land sich immer wieder neu definiert. Fuer den Rest der Welt ein Moment, der einem endlich wieder erlaubt, Amerika zu moegen, was in den letzten Jahren nicht leicht gemacht wurde.

Am 20. Januar wird er offiziell sein Amt antreten. Ob ich ihn jemals wieder so nah kommen werde wie in der Vergangenheit, mag ich jedoch bezweifeln.

Dienstag, 4. November 2008

In eigener Sache: Topographien


Ruth Ellen Gruber, in Sachen "Jewish Heritage" eine Autoritaet, hat vor Kurzem in ihrer Kolumne "Ruthless Cosmopolitan" die Anthologie "Jewish Topographies: Visions of Space, Tradition of Place" besprochen - und gleichzeitig auch unsere Bekanntschaft.
Wir kennen das Spiel: Du kennst jemanden, der jemanden kennt, der wiederum mich kennt, also sind wir indirekt bekannt.
In meinem Fall habe ich Ruth vor vielen Jahren auf der Jahreshauptversammlung des American Jewish Committee in Washington DC kennengelernt. Ich war damals der Vorsitzende der European Union of Jewish Students und sprach ueber Antisemitismus in Europa aus einer Studentenperspektive.
Als ich Jahre spaeter in New York mein Glueck als Fotograf versuchte und ein Projekt zu ehemaligen juedischen Nachbarschaften im Big Apple began, traf ich mich mit ihrem Bruder Sam, der sich ebenfalls mit juedischem Kulturerbe geschaeftig und ein Buch zu amerikanischer Synagogenarchitektur herausgegeben hat (-- urspruenglich wollte Sam mir helfen, aber aus der Kooperation wurde leider nichts). Wir stellten damals fest, dass ein Freund meiner Grossmutter in Hamburg ein Verwandter der amerikanischen Grubers ist.
Vor einem Jahr oder so interviewte Lisa sie ueber ihr Buch "Jewish Heritage Travel" (siehe hierzu auch dieses Blog) und sie erinnerte sich noch an mich. Als ich dann anfing, beim JDC zu arbeiten, trafen wir uns kurz wieder. Nun sind wir Facebook-Freunde und als das o.g. Buch erschien, postete ich denk Link hierzu, worauf mich Ruth kontaktierte und um ein Rezensionsexemplar bat -- und in ihrer Kolumne erwaehnt sie dann auch den Freund meiner Grossmutter (aber lest selbst).
Das Buch ist auf jeden Fall lesenswert und beschaeftigt sich mit verschiedenen Aspekten von juedischer Topographie, von alternativer juedischer (Web-)Kultur in Budapest, ueber Gaerten im Ghetto, bis hin zu virtuellen Welten (mein Essay).
Eine der Herausgeberinnen, ganz nebenbei erwaehnt, hat eine aehnlich zufaellige Verbindung zu mir. Als ich damals zur Jahreshauptversammlung des American Jewish Committee kam, machte ich einen Abstecher nach New York, wo ich einen Typen aus meiner Heimatstadt Muenster traf, der wiederum mit jemanden befreundet war, die Jiddisch studierte (beide sind nicht juedisch, auch wenn er spaeter eine juedische Hochzeit hatte und sie heute Expertin zum jiddischen Vilna ist).
A stranger is a friend you don't know...

Montag, 3. November 2008

Sukkot in Bryant Park





Chabad hat wie jedes Jahr in Bryant Park, dem Lieblingstreffpunkt von Carrie Bradshaw in der Kultserie "Sex and the City", ein Sukkah aufgebaut, in der man sich zum Mittagessen (und manchmal auch zum Gebet) trifft.

Laut Rabbi Yeshua Metzger von Chabad Midtown existiert die Sukkah in Bryant Park seit nunmehr 13 Jahren. Als ich ihn in der Sukkah besuche, wird er staendig abgelenkt. Einige Besucher wollen wissen, wo es koscheres Essen gibt, Metzger begruesst eine Schulklasse, die gerade von einem Museum kommt, ein paar Touristen aus Italien fragen nach, was denn dieser Kasten sei. In dem "Kasten", der taeglich von 9 Uhr morgens bis 10 Uhr abends geoeffnet ist, finden sich Leute, die so unterschiedlich sind wie ihr Essen. Ein paar Businessmaenner diskutieren die Wirtschaftslage bei Sushi und Salat, ein paar Freunde aus Long Island, die in Midtown arbeiten, teilen sich koschere Pizza und ein paar Besucher aus Brooklyn bestellen sich koschere Hotdogs via Handy, direkt in die Sukkah geliefert. Only in New York.

"This is the crossroad of the world," erklaert Rabbi Metzger, der einem aelteren Paar aus Queens, das mit russischem Akzent Englisch spricht, hilft, den Segenspruch ueber den Lulav zu sagen. Bryant Park, zwischen Times Square und Grand Central gelegen, ist im Herzen Manhattans, und hier trifft sich tatsaechlich alle Welt.

Die New York Times hatte eine nette Reportage darueber. Es waere schoen, solche Offenheit auch in Europa sehen zu koennen, aber New York ist diesbezueglich wohl einzigartig in der Diaspora.

Wahlen in den USA

Ohne Worte...

Samstag, 1. November 2008

Kreuzfahrtrabbiner

Wenn man in Amerika arbeitet, hat man ein gravierendes Problem. Man hat nur sehr begrenzte Ferienzeit. Oft nur zwei Wochen. Wenn man jedoch fuer eine juedische Organisation arbeitet, dann hat man zumindest die juedischen Feiertage zusaetzlich frei, so dass man, wenn man geschickt kombiniert, mit ein paar Tagen Urlaub schnell zwei Wochen Ferien zusammen bekommt.
Doch nun kommt das Dilemma: Einerseits will man Urlaub machen, andererseits seine Familie in Deutschland sehen.
Und noch viel dilemmatischer (OK, ich weiss, das Wort gibt es nicht), was macht man, wenn der hoechste Feiertag im Judentum, das Versoehnungsfest Jom Kippur, genau in diese Zeit faellt.
Ich hatte also schon ein schlechtes Gewissen, als wir mit meinen Eltern planten, ueber Jom Kippur eine Mittelmeerkreuzfahrt zu unternehmen, aber andererseits war es die einzige Moeglichkeit, ein wenig zu relaxen und gemeinsam Zeit zu verbringen. Mein urspruenglicher Plan war, auf jeden Fall zu fasten, auch wenn wir wohl keinen Gottesdienst besuchen wuerden.
Aber dann kam alles ganz anders. Lisa schaute in das aktuelle Programmangebot (jeden Tag gibt es einen Newsletter, der die Aktivitaeten auf dem Schiff ankuendigt) und sah, dass es einen Jom Kippur Gottesdienst auf dem Schiff gab.
Positiv ueberrascht gingen wir alle gemeinsam hin -- wer moegen wohl die anderen Juden auf dieser Kreuzfahrt sein? -- und stellten fest, dass gut ein Dutzend Leute ebenfalls kamen.
Der Rabbiner (siehe Foto) selbst kam aus Israel, und fuer ihn war es die erste Kreuzfahrt. Der Gottesdienst, wie die gesamte Schiffsreise, war "freestyle", aber deshalb auf keinen Fall weniger bedeutsam. Die Teilnehmer eine internationale Familie, wobei die Mehrheit aus New York kam.
Fuer den 68jaehrigen Reformrabbiner war es die erste Kreuzfahrt. "Ich war immer neugierig darauf. Und als das Angebot kam, konnte ich nicht nein sagen." Der in Jerusalem geborene Israeli war eigentlich Cellist - ein Kostprobe gab er seiner internationalen Gemeinde beim Kol Nidre Gottesdienst - und wurde 1983 als Reformrabbiner am Hebrew Union College ordiniert. Er war zwei Jahre in Sydney, Australien, dann von 1990 bis 2001 in England, hauptsaechlich in Newcastle, und dann auch in Mitteleuropa, vor allem in Wien und Prag, taetig. Nun seit vier Jahren im Ruhestand hat er keine Gemeinde, um die er sich regelmaessig kuemmern muss, und erfuellt damit das Kriterium, dass die Norwegian Cruise Line hat. Wie andere Kreuzfahrten auch, bietet sie Geistlichen an, an hohen Feiertagen kostenlos an einer Kreuzfahrt teilzunehmen. Als Gegenleistung bieten sie dann Gottesdienste an. Ein Angebot, das es momentan neben Rosch Haschana, Jom Kippur, Hanukah und Pesach gibt.
Mehrheitlich gehoeren amerikanische Geistliche den Verband pensionierter Rabbiner an, so dass es gut sein kann, dass Moshe Yehudai, so uebrigens sein Name, der erste israelische Rabbiner auf einer NCL Kreuzfahrt war. Die Woche auf See (zu Rosch Haschana war ein anderer Rabbiner auf dem Schiff taetig) hat ihm gut gefallen. "Das wuerde ich auf jeden Fall nochmal machen."
Und so geht es uns auch.